Sonntag, 21. April 2013

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Jetzt mit Abrechnungen der Testdepots für 2013 und neu zusammengestellte Strategie-Depots für 2014!



Anlegertypen,   Anomalien und     Aktienrenditen



Hallo liebe Leserin,
hallo lieber Leser,

„noch ein Webangebot über Aktien? Muss das wirklich sein?“, werden sicherlich nicht wenige Userinnen und User fragen, die auf diese Seite stoßen.

Nun, einen Zwang gibt es sicherlich nicht, zumal hier nichts verkauft werden soll. Das ist zwar fast schon ein Alleinstellungsmerkmal unter vielen Aktienratgebern, aber zweifellos noch kein ausreichender Grund für weitere Ergänzungen der großen Informationsportale mit ihren zahlreichen individuellen Möglichkeiten oder die Vielzahl vorhandener professioneller und privater Aktienseiten von Börsenfans.

Aber es gibt hier noch weitere Unterschiede gegenüber dem Mainstream.

Im Fokus stehen einerseits Ergebnisse der empirischen Finanzmarktwissenschaften, die Überrenditen für Aktiendepots ausweisen, die nach spezifischen Kriterien erstellt wurden.

Andererseits werden Untersuchungen zur Anlegerpersönlichkeit und zu möglichen Typisierungen von Anlegern angesprochen, wobei nicht nur die unterschiedliche Risikobereitschaft herausgestellt wird.

Im Ergebnis werden auf dieser Basis verschiedene Strategien vorgestellt, bei deren Anwendung sich unterschiedliche Anleger wohlfühlen können, ohne dabei auf eine Suche nach möglichen Überrenditen verzichten zu müssen. Es geht also mit anderen Worten um Anlegestrategien, die der Mentalität von Zockern oder Langfristanlegern entsprechen, ohne dadurch bereits auf die Ausnutzung von Marktchancen verzichten zu müssen.

Ein kleiner Wegweiser soll an dieser Stelle die Orientierung im Blog erleichtern. Die Schlüsselbegriffe ergeben sich dabei aus dem Titel.

Grundelemente der persönlichkeitsbezogenen Strategien sind die als Anomalien diskutierten empirischen Abweichungen vom Modell der „Trilogie der modernen Finanzwissenschaft“ aus moderner Portfoliotheorie (MPT), Capital Asset Pricing Model (CAPM) und Effizienzmarkthypothese (EMH).

Dieses Konzept wird kurz vorgestellt, um anschließend einen Überblick über wichtige Anomalien zu geben, so den Größe-Effekt, verschiedene Value- und Momentum- sowie nicht zuletzt auch saisonale bzw. Kalendereffekte.

Aus diesen Bausteinen lassen sich verschiedene Anlagestrategien entwickeln, von denen auf die Dogs-, die Hot-Stock-, die Momentum-, die Value- und die ValueMomentum-Strategie näher eingegangen wird.

Teilaspekte dieser Strategien werden in einigen Spezialbeiträgen vertieft angesprochen. Dabei werden vor allem besonders risikoreiche Aktiengruppen näher behandelt. Hierzu zählen Mantel- und Insolvenzwerte, Fußballaktien und als Beispiel für einen wenig bekannten ausländischen Markt ukrainische Aktien.

Auf der anderen Seite des Risikospektrum beschäftigt sich ein Beitrag mit deutschen Beteiligungsgesellschaften, die nach Value-Prinzipien investieren.

Wie die Diskussion der Anomalien und Strategien zeigt, bieten sie keineswegs Garantien für fast sichere Börsengewinne. Das zeigen nicht zuletzt praktische Tests, in denen Depots nach den ausgewählten und für die jeweilige Strategie als besonders relevant definierten Indikatoren ausgewählt wurden. Erste Ergebnisse liegen für die Jahre 2012 und 2013 vor. Ein monatliche Fortschreibung erfolgt aktuell für 2014


Bei allen diesen Aussagen dürfen interessierte Leserinnen und Leser nicht vergessen, auch wenn das nach den häufig so überzeugenden empirischen Ergebnissen vieler Untersuchungen manchmal schwer fällt, dass sich alle Aussagen nur auf Aktienmarktentwicklungen in den jeweiligen Untersuchungszeiträumen und –regionen beziehen. Sie sind also zeitlich und räumlich begrenzt, sodass sie keinesfalls einen Blick in die bei Anlageentscheidungen vor allem interessierende Zukunft geben können. 

Wir können nur diskutieren, was Analytiker bisher als Ergebnisse gefunden haben, ohne damit jedoch eine esoterische Kristall- oder Seherkugel erworben zu haben, die uns einen klaren und eindeutigen Blick in die Zukunft erlaubt. 

Wir dürfen schließlich auch an der Börse nicht vergessen, was Philosophen über die Welt und uns Menschen festgestellt haben. Und das reicht vom „Alles fließt“ eines Heraklit und eines umstrittenen sozialen Determinismus bis hin zu den konkreten Prognoseproblemen der selbsterfüllenden und selbstzerstörenden Prophezeiung

Oder um es mit den Worten des Naturwissenschaftler Isaac Newton zu sagen: "Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunden berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann."

Es geht hier daher nicht um die Vorstellung einer angeblich todsicheren Methode, um in wenigen Tagen an der Börse zum Millionär zu werden, sondern um die Diskussion von Strategien, die der Persönlichkeit des jeweiligen Anlegers entsprechen und gleichzeitig an der Börse nicht von vornherein chancenlos sind.

Dazu ist es nötig, etwas über sich selbst zu erfahren und über den Aktienmarkt.






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Impressum

MPT, CAPM und EMH:


Die Trilogie der modernen Finanztheorie



Seit Aktien gehandelt werden, haben sich immer wieder mehr oder weniger bekannte Anleger damit beschäftigt, die Kurse vorauszusagen und mit diesem Wissen reich zu werden. Die Erfolge dabei waren allerdings sehr begrenzt, was stellvertretend für viele andere der bekannte Physiker Isaac Newton erkennen musste, als er nach dem Platzen der Südsee-Blase resignierend feststellte: „Ich kann zwar die Bewegungen der Himmelskörper berechnen, aber nicht die Verrücktheit der Menschen.“

Auch wenn es wegen des irrationalen menschlichen Handelns kein Gravitationsgesetz für Aktien gab, führte das keineswegs zu einer Abstinenz bei Aktienprognosen. Um sich in der risikoreichen Börsenwelt zu orientieren, greifen Börsianer bekanntlich nur zu gern zu Empfehlungen, die als todsichere Tipps den Weg zum großen Reichtum weisen sollen. Man konnte und kann daher mit einem geschickten Verkauf von Empfehlungen häufiger leichter Geld verdienen als mit dem Eingehen risikoreicher Investments an der Börse.

Über mehrere Jahrhunderte kannten die Börsianer so zwar eine Vielzahl von teilweise aphoristischen Heuristiken, in denen Börsenerfahrungen gesammelt waren, aber kaum überprüfte und nachvollziehbare Kriterien für die Auswahl besonders chancenreicher Aktien. Hier bedeutete die noch heute bekannte und angewendete Studie „Security Analysis“ von Benjamin Graham und David Dodd einen wichtigen Schritt nach vorn. Dieses Handbuch versucht eine ganz gezielte Bilanzanalyse, wodurch sich Aktien auswählen lassen, die die besten Voraussetzungen für eine gute Börsenkarriere besitzen. Dieses Buch, das die Autoren als eine seriöse Orientierung nach den Kurseinbrüchen des „schwarzen“ Freitags 1929 sahen, ist erstmals 1934 erschienen und durch den legendären Investmentmilliardär Warren Buffett zur Anlegerbibel aller Value-Anleger weltweit geworden.

Jahre später hat sich mit John Maynard Keynes ein weiterer Ökonom mit der Erklärung von Aktienkursen beschäftigt, wobei auch er vor dieser intellektuellen Aufgabe kapitulierte, obwohl er als praktischer Anleger durchaus erfolgreich war. Er vergleicht die Kursprognose mit damals beliebten Schönheitswettbewerben, bei denen derjenige Sieger wurde, der aus mehreren zur Wahl stehenden Fotos von Modells das ausgewählt hatte, das auch von den meisten anderen Teilnehmern als das schönste ausgewählt worden war. Diese Beauty Contest entsprachen also einer Wahl zum Tor des Monats, nur dass eben nicht Tore beim Fußballspiel, sondern attraktive Frauen bewertet wurden.

Übertragen auf den Aktienmarkt sieht Keynes damit die Aufgabe des Investors in der Auswahl von Aktien, die andere Börsenteilnehmer demnächst positiv bewerten und daher kaufen werden. Da andere Anleger ganz entsprechende Überlegungen anstellen, gelangt Keynes zu der Feststellung: „Wir haben den dritten Grad erreicht, bei dem wir unsere Intelligenz darauf verwenden, welche Meinungen die meisten Leute über die Meinung der meisten Leute haben. Und es gibt einige, glaube ich, die den vierten, fünften oder noch höhere Grade praktizieren.“

Im Resultat gelingt so möglicherweise eine gute Definition des Problems, ohne dass jedoch ein Lösungsweg aufgezeigt wird. Ähnlich wie schon bei Newton scheinen die Aktienkurse das Ergebnis sehr komplexer psychischer Prozesse der Marktteilnehmer zu sein.

Aus der Sicht der heutigen Finanzmarktwissenschaft, die Zusammenhänge auf dem Aktienmarkt erklären und damit auch prognostizieren will, fehlten damit Erklärungsmodelle und empirische Untersuchungen, in denen die vorliegenden Daten über Kurse und Firmendaten statistisch ausgewertet waren. So standen lange Zeit differierende Empfehlungen nebeneinander, ohne dass man über Methoden und Ergebnisse verfügte, die etwas über deren theoretische und prognostische Qualität aussagten.

Folgt man einer Einteilung des amerikanischen Finanzmarktforscher Robert A. Haugen (1999), wurde diese „alte“ Finanzwissenschaft zwischen 1950 und 1970 von einer wissenschaftlichen Revolution abgelöst, die zur „modernen“ Finanzwissenschaft führte.

Im Zuge dieses Paradigmenwechsels wurden die Wertpapiermärkte in einer völlig veränderten Perspektive gesehen. Dabei richtete sich der Blick nicht mehr auf unterbewertete oder chancenreiche Einzelwerte, sondern auf die Konstruktion sogenannter effizienter Portofolios entsprechend der jeweiligen Risikobereitschaft eines Investors.

Die Geburt der modernen Finanztheorie erfolgte in den frühen 1950er Jahren, als der junge Doktorand Harry Markowitz das Verhalten von Anlegern einerseits und die Empfehlungen der Broker anderseits verglich. Dabei stellte er eine Diskrepanz fest: Während die Kauftipps immer zukünftige Gewinne oder Kursziele herausstellten, versuchten die Anleger verschiedene Anlageformen zu mischen, obwohl sie wussten, dass sie dadurch schlechter abschnitten, als andere Anleger, die ihr ganzes Vermögen auf das beste Pferd gesetzt hätten.


Der durchschnittliche Anleger bevorzugt jedoch eine Diversifikation, wie schon das Beispiel früher Aktienanlagegesellschaften in England und Schottland zeigt, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Gesamtvermögen wie ein Investmentfonds streuen.

Der Grund für diese Diversifikationspräferenz war auch nicht unbekannt. Man sah es einfach als Tatsache an, dass niemand mit Sicherheit weiß, welches Papier sich am besten entwickeln wird, da wie etwa Keynes bemerkt hatte, die Kursentwicklung von vielen Faktoren und nicht zuletzt unübersehbar vielen kleineren oder größeren Zufällen abhängt, die niemand voraussehen kann.

Die Rendite kann daher, wie Markowitz aus dem beobachtbaren Anlegerverhalten schlussfolgerte, nicht das alleinige Auswahlkriterium sein, denn dann würde jeder sein gesamtes Vermögen auf die vermeintlich beste Aktie setzen. Anleger wollen vielmehr, die "Überraschungen" einzelner Wertpapiere, die in ihren unvorhergesehenen Ergebnissen bestehen, reduzieren. Mit anderen Worten: Individuen wollen bei ihrer Anlage immer zwei Ziele gleichzeitig erreichen: Rendite und Sicherheit.

Markowitz kennzeichnete daher die Ertragsvarianz, also die Streuung der Renditen, die bei Investitionen in verschiedene Aktien auftritt, als etwas nicht Wünschenswertes bzw. als das Risiko, das Anleger vermeiden oder wenigstens minimieren wollen. Die Begriffe Risiko und Varianz werden damit in der Portfoliodiskussion zu Synonymen.

Markowitz bahnbrechender Einfall, der ihm 1990 später den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften einbringen sollte, bestand in der Entwicklung einer Strategie, mit der man nicht eine Menge isolierter Aktien auswählt, sondern ein Portfolio aus Aktien aufbaut, durch das ein Anleger, der eine vorgegebene Risikobereitschaft besitzt, eine maximale Rendite erzielen kann. Der spätere Nobelpreisträger sprach daher von Portfoliooptimierung (portfolio optimization), wobei sich der Begriff Portfolio von den lateinischen Wörtern portare (tragen) und folium (Blatt bzw. Seite) ableitet. Ein Portfolio ist somit eine Sammlung von Wertpapieren, die in diesem Fall nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden.



Die moderne Portfoliotheorie (MPT)


Die beiden Kernbegriffe der modernen Portfoliotheorie (MPT), wie sie Markowitz in seiner Dissertation entwickelt hat, sind damit die Rendite und das Risiko, das er als Ertragsvarianz operationalisiert.

Das gesamte Risiko eines Portfolios lässt sich dabei nach Markowitz in zwei Komponenten unterteilen, und zwar

1. In das systematische Marktrisiko, das sich in einer Kursbewegung widerspiegelt, die proportional zum Gesamtmarkt verläuft und nicht diversifizierbar ist.

2. In das unsystematische Risiko, das sich in Kursreaktionen zeigt, die auf unternehmensspezifische Daten zurückgehen und insofern diversifizierbar ist.

Für ein optimales Portfolio soll daher das unsystematische Risiko möglichst beseitigt werden. Das geschieht durch eine gezielte Diversifikation der Anlagewerte.

Bei der Analyse der Aktienkurse lässt sich feststellen, dass sich die Einzelwerte mehr oder wenig ähnlich entwickeln wie der Markt bzw. ein breiter Marktindex.

Ihr Kurs war nicht mehr, wie einst bei Keynes von einer Vielzahl von mehr oder weniger zufälligen und damit schwerlich prognostizierbaren Einzelfaktoren abhängig, sondern ließ sich sehr einfach bestimmen. Und dabei gab es noch einen ganz gewichtigen Vorteil. Es waren keinen mühsamen Bilanzanalysen oder Blicke in die ohnehin nicht existente Kristallkugel der Wahrsagerinnen erforderlich, sondern nur ein paar Dateneingaben in einen Computer oder ein Blick auf eine entsprechende Auswertung, die Banken oder Börsenblätter dem interessierten und aufgeklärten Anleger zur Verfügung stellen könnten.

Die individuellen Komponente, die Sharpe nur betrachtete, lässt sich weiter aufspalten. Zufallsschwankungen, als unsystematische Abweichungen vom Marktdurchschnitt, lassen sich durch die Diversifikation ausgleichen, so dass sie ökonomisch gesehen nicht weiter beachtet werden müssen. Diversifikation ist und bleibt so zur Absicherung gegenüber Risiken wichtig, aber hier ist noch nicht der Midasstab verborgen, der aus einem Portfolio mit mäßigen Erträgen eines mit überdurchschnittlichen Zuwächsen machen kann.

Anders sieht es mit den Schwankungen aus, die die Variabilität des Marktes verstärken oder abschwächen. Dieses Komponente lässt sich durch eine Diversifikation nicht ausgleichen und stellt damit eine unerwünschte Folge einer Aktieninvestition dar. Da ein rationaler Anleger unnötige Kosten vermeiden will, wird er in diese Werte mit überdurchschnittlich starker Volatilität nur investieren, wenn ihn eine höhere erwartete Rendite entschädigt. Damit wird erstmals eine klassische ökonomische Argumentation in die Debatte eingeführt.

William F. Sharpe geht von der Erwartungsnutzentheorie aus und unterstellt, dass jeder Anleger den Erwartungswert der Gesamtrendite maximieren will, allerdings so, dass die erwarteten Werte nicht allzu sehr streuen, er also sein angestrebtes Ergebnis auch möglichst sicher erwarten kann.

Weil das unsystematische Risiko aufgrund der Diversifikation beseitigt werden kann, muss es der Markt nicht ausgleichen. Anders sieht es mit dem systematischen Risiko aus. Da es nicht diversifizierbar ist, muss der Anleger durch eine entsprechende Prämie belohnt werden, wenn er bereit ist, diese Schwankung der Renditen zu erleiden.
Die Streuung der Renditewerte insgesamt erfordert so keine Risikoprämie, sondern nur ein Teil, und zwar ihre Schwankung im Gleichklang mit der des Gesamtmarktes. Es ist also festzustellen, wie sich ein Einzelwert verhält, wenn der Markt um 1%, 10% oder 15% steigt oder fällt. 

Einen derartigen Zusammenhang erfasst die Korrelations- bzw. Regressionsrechnung, wobei Beta als Maß für die Steigung der Regressionsgeraden für die Kursveränderungen des Marktes und der betrachteten Aktie die gesuchte Risikogröße ist, die der Markt als nichtdiversifizierbare Risikokosten dem risikofreudigen Anleger prämieren muss. 

Capital Asset Pricing Model (CAPM) 


Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist auch heute noch – mehr als vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung durch Sharpe und Lintner (1964-5) eines der wichtigsten Modelle der Finanzmarktökonomen. Es liefert Aussagen über die
erwarteten Renditen risikobehafteter Anlagen und wird unter anderem eingesetzt zur Bestimmung von Kapitalkosten, im Rahmen des Risikomanagements und zur Überprüfung des Anlageerfolges. Gleichzeitig liefern empirische Studien allerdings oft wenig empirische Unterstützung für das CAPM.

Eine mögliche Erklärung für die geringe empirische Evidenz zugunsten des CAPM besteht darin, dass das CAPM theoretische Aussagen über die erwarteten Renditen liefert, die empirischen Überprüfungen aber typischerweise auf Basis von realisierten Renditen erfolgen.

Gemäß der auf Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966) zurückgehenden Standardversion des CAPM hängen die erwarteten Überschussrenditen risikobehafteter Anlagen positiv von deren systematischen Risiken (Beta) ab.

Dieses Modell bringt damit eine völlig neue Perspektive in das Anlageverhalten. Die alten Standards, die, da sie dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen scheinen und daher die Börsentipps in Zeitungen, Magazinen, Chat-Rooms usw. usf. füllen, werden völlig entwertet. Es ist ganz gleich, was ein Unternehmen herstellt, ob es sich um High-Tech-Produkte wie Roboter, Computer oder Software handelt, oder um einen Steinbruch, der Jahr für Jahr Pflastersteine liefert. Auch die Qualität des Managements muss nicht interessieren. Und schließlich ist die bisherige Performance uninteressant, sei es, dass sich eine Gesellschaft auf einem wachsenden Markt mit schönem Umsatz und noch schöneren Gewinn- und Kursgewinnen bewegt, oder sich, da Märkte wegbrechen, in einem beängstigenden Tiefflug befindet.

Die Hypthese effizienter Aktienmärkte (efficient-market hypothesis (EMH))


Während die MPT und das CAPM zu einer veränderten Sicht des Anlegerverhaltens führen, indem sie an die Stelle des Stockpickings, also der Auswahl einzelner Werte, den Blick auf ein gesamtes Portfolio lenken, problematisiert die sogenannte Effizienzmarkthypothese (EMH) den Sinn von Aktienempfehlungen ganz generell. Das gilt zumindest im Hinblick auf die Möglichkeit, durch die Wahl besonders „heißer“ Werte besser abzuschneiden als der Gesamtmarkt, wenn man einmal den Risikoaspekt vernachlässigt. Die zahlreichen Tippdienste, die einen Anleger mit angeblich profitträchtigen Empfehlungen Glanz in sein Portfolio bringen wollen, sind damit praktisch nutzlos. Sie können vielleicht zu höheren Börsenumsätzen führen, da es ständig neue Tipps gibt, aber auch das dürfte eher Überrenditen, also Kurssteigerungen, die über denen des Gesamtmarktes liegen, verhindern. Der Reiz dieser angeblichen Anlegerhilfen liegt also ausschließlich im Profit, den sie den Herausgebern bringen.
In diesem Fall lassen sich die Aussagen sogar hart formulieren, da sie anders als bei dem im CAPM der unterstellen Zusammenhang zwischen Varianz bzw. Risiko und der Rendite empirisch belegt sind. Anders als die MPT und das CAPM hat die EMH den großen Vorteil, dass sie durch eine Reihe empirischer Untersuchungen abgesichert werden konnte. So stellte etwa 1978 der amerikanischen Finanzwissenschaftler Michael Jensen fest: „Es gibt in der Ökonomie keine andere Annahme, die eine stärkere empirische Unterstützung erfährt als die Hypothese eines effizienten Marktes“.

Die Effiziensmarkthteorie geht auf Eugene F. Fama zurück, der 1964 mit der Arbeit The Behavior of Stock Market Prices promoviert. Die Kernaussage seiner Dissertation bestand darin, dass auf Finanzmärkten in den jeweiligen Preise bereits alle zur Verfügung stehenden Informationen enthalten sind, sodass niemand durch den Kauf einzelner Aktien dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne erzielen kann.

Diese Aussage ist plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass an der Börse Transaktionen nur möglich sind, wenn sich Käufer und Verkäufer auf einen Preis, eben den Kurs, einigen können. In diesem Kurs sind daher die Erwartungen beider Seiten enthalten oder, wie man auch sagt, eingepreist. Es scheint sich also um einen Preis zu handeln, der aufgrund aller vorliegenden Daten über das Unternehmen, den Markt und die volkswirtschaftliche Entwicklung fair ist. Andernfalls würden Marktteilnehmer, die über bessere Informationen verfügen, durch entsprechende Transaktionen die entstandenen falschen Kurse für sogenannte Arbitragegeschäfte nutzen und damit den Kurs korrigieren.
Bezüglich der relevanten Informationsmenge unterscheidet man üblicherweise drei Effizienzgrade der Märkte: 

a) eine schwache Effizienz (weak form efficiency), falls die gesamte Informationsmenge nur die vergangenen Preise umfasst. Historische Kursdaten sind im Preis enthalten, geben keinen Aufschluss über die zukünftige Preisentwicklung, und es lassen sich damit auch keine außergewöhnlichen Gewinne erzielen.

b) eine mittelstarke Effizienz (semi-strong form efficiency), wenn die gesamte Informationsmenge nicht nur die vergangenen Preise, sondern alle übrigen, öffentlich zugänglichen Informationen enthält, was bei Aktien generell gegeben ist, und

c) eine starke Effizienz (strong-form efficiency), falls die gesamte Informationsmenge sämtliche, auch nicht öffentlich zugängliche Informationen ("Insider"-Informationen mit monpolistischem Zugang) einschließt. Eine Annäherung an dieses Informationsniveau soll durch die vorgeschriebenen Meldungen von Insider-Transaktionen erreicht werden.
Nicht erfasst werden dadurch jedoch die Kenntnisse von Mitarbeitern oder Kunden. 

Der Wettbewerb "rationaler, auf Renditemaximierung ausgerichteter" Akteure sorgt also an der Börse dafür, dass alle Nachrichten vollständig und im Hinblick auf ihre zukünftigen Implikationen umgehend richtig eingepreist werden. Voraussetzung dafür ist neben der Informationseffizienz auch ein liquider Markt, denn ohne Angebot und Nachfrage kann kein Auspendeln der Preise erfolgen. So besitzen etwa Taxkurse, also Preis, zu denen gar keine Aktien gehandelt wurden, nicht die Eigenschaften von Kursen, die zwischen unabhängigen Käufern und Verkäufern ausgehandelt wurden. Dasselbe gilt für „abgesprochene“ oder fingierte Transaktionen, durch die Kursstellungen erzeugt werden sollen, um die weitere Kursentwicklung zu beeinflussen, wie man es häufig bei Pennystocks findet.

In einer Reihe empirischer Untersuchungen wurde die EMH bestätigt. So ließ sich zeigen, dass Fonds, die bekanntlich von Experten gemanagt werden, im Durchschnitt nicht über längere Zeit besser abschneiden als der Makrt, sondern ihn vielmehr um den jeweiligen Gebührensatz des Fonds unterperformen. Auch Wettbewerbe zwischen Gurus und dem Zufall, der mediengerecht beispielsweise durch einen Affen, der Darts auf einen Kurszettel geworfen hat, repräsentiert wurde, konnten den Ruf der hochbezahlten Experten nicht weiter festigen. Auch sie mussten sich der macht des Zufalls beugen, was auch generell für die Massen an Aktienempfehlungen gilt, mit denen Anleger überflutet werden. Sie zahlen sich, wie ernüchternde Untersuchungen gezeigt haben, nur aus, wenn man die jeweiligen Papiere günstig vor der Veröffentlichung des Tipps kauft und schnell auf den Markt wirf, wenn die jeweilige einmalige Chance zum schnellen Reichtum publiziert und zu Käufern gläubiger Leser geführt hat. Das heißt natürlich nicht, dass es keine Fonds, Experten und Empfehlungen gibt, die den Markt schlagen. Die Werbeaussagen dürften in diesen Fällen durchaus zutreffen. Nur zeigen sie jeweils nur einen Teil der Wirkungen des Zufalls. Es sind die Würfe einer „6“, die jeder mit einem idealen Würfel erzielen kann.

Zudem hilft auch der menschliche Glaube an erreichbare Ziele und die Ablehnung bloß zufälliger Entwicklungen. Das hat einen Vertreter der EMH wie Burton Malkiel zu einer fast resignierend klingenden Erkenntnis gebracht: „Einem Anleger zu sagen, dass er es nie schaffen wird, den Markt zu schlagen, ist ungefähr genauso wirkungsvoll, wie einem sechsjährigem Kind zu erklären, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt.“

Dennoch hat die EMH mit ihrer harten Aussage über die Möglichkeit von Überrenditen zu zahlreichen empirischen Untersuchungen geführt. Viele Forscher haben das vorhandene Datenmaterial von Börsenkursen und Unternehmensdaten benutzt, um festzustellen, ob es nicht doch Ausnahmen von diesen rein zufälligen Kursentwicklungen gibt, sich der Markt also schlagen und sich smarte Anleger über schöne Überrenditen freuen können.

Und diese Suche wurde durchaus belohnt. Man hat eine Reihe von Abweichungen der Kurse von rein zufälligen Entwicklungen gefunden und sogar Erklärungen für diese Anomalien vorgeschlagen.

Quellen:
Fama, Eugene, The Behavior of Stock Market Prices, in: Journal of Business, 1965,34-105.
Haugen, Robert A., The New Finance: The Case Against Efficient Markets, 1999.
Malkiel, Burton, A Random Walk Down Wall Street, 1973.
Markowitz, Harry, Portfolio Selection, in: The Journal of Finance, 1952.
Waldhauser, Stefan, Eine Einführung in die Portfolio Selection Theory.








Mäntel


Kurssternschnuppen bei Pennystocks

 
Chancen einer Strategie für Mantelaktien



Reiz und Risiko von Pennystocks


Anleger lieben Kurssteigerungen. Richtige Aufmerksamkeit erreichen jedoch Kurssprünge und  wirklich mitreißend, ja unwiderstehlich verführerisch sind für Börsenzocker Verdoppelungen oder noch höhere Vervielfachungen der Einstiegskurse. Derartige traumhafte Chancen findet man zwar nur ganz ,ganz selten, aber sie können zum später gern erzählten Börsenlatein der beteiligten Akteure werden.

Immerhin wird über derartige Ereignisse auch in der Wirtschaftspresse berichtet, wenn auch mit einem warnenden Unterton. Zwar fehlen dabei keine Warnungen vor einem hohen Risiko, aber auch die erzielbaren Renditen werden gleichzeitig sogar als Überschriften gewählt. So brachte das Anlegermagazin Börse Online gleich zwei Artikel über Tria IT mit den Titeln „567 Prozent Kursplus in vier Tagen“ und „Der 75.900-Prozent-Wahnsinn“.

Aber dann kann man wieder einmal erkennen, nur der Mutige kann an der Börse Erfolg haben, und Börsengewinne müssen durch schlaflose Nächte erkauft werden. Wie sagte doch der Grandseigneur André Kostolany: „An der Börse gibt's nur Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld!“ Und in einem weiteren Aphorismus stellte er heraus, dass man schon etwas mehr braucht als eine masochistische Leidensfähigkeit: „Wenn die Börsenspekulation leicht wäre, gäbe es keine Bergarbeiter, Holzfäller und andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant.“

Insolvenz- und Mantelaktien

Unter den Pennystocks, bei denen sich diese Kurswunder fast ausschließlich ereignen, lassen sich mehrere Klassen unterscheiden. So werden einige Werte bereits von Anfang an mit niedrigen Kursen gelistet, wobei man deswegen die Gesellschaften außerhalb Deutschlands gründet, da hierzulande eine Aktie nach dem Aktiengesetz mindestens einen Wert von 1 € des Grundkapitals repräsentieren muss. Das ist jedoch in den Niederlanden und der Schweiz nicht der Fall. Die Gründer dieser Gesellschaften beginnen also sogleich mit einem Pennystock-Spiel, was ihre Seriosität gegenüber ihren Aktionären nicht gerade in ein optimales Licht rückt.

Neben diesen geborenen Pennystocks hat in anderen Fällen ein fehlender wirtschaftliche Erfolg zu Insolvenzen von Unternehmens geführt, sodass deren Aktien nur noch Beteiligungen an der Insolvenzmasse repräsentieren. Dabei bleibt für die Aktionäre dieser Insolvenzwerte als Eigentümer und damit als nachrangige Gläubiger im Sinne des § 39 Insolvenzordnung, die erst Anspruch auf Zahlungen haben, wenn die Forderungen aller Gläubiger zu 100 % befriedigt sind. 

Jedoch nicht immer, denn manchmal lässt sich zumindest die Börsennotierung ohne Belastungen durch die Forderungen anderer Gläubiger retten. Da das operative Geschäft vorher zumeist abgetrennt und verkauft wurde, bleibt so ein sogenannter Aktienmantel übrig, der wieder mit einem neuen operativen Geschäft gefüllt werden kann. In diesem Fall spricht man dann von einem Cold-IPO, bei dem sich im Vergleich zu einem üblichen Börsengang oder IPO (Initial Public Offering) Kosten und Zeit sparen lassen.

Diese Mantelgesellschaften, die aus der Börsennotierung, einer Verwaltung mit Vorstand und Aufsichtsrat sowie einer mehr oder weniger gehaltvollen Bilanz bestehen, warten dann auf einen Interessenten, der sie für die Einbringung neuer Aktivitäten nutzen will.

Falls IPOs relativ aufwendig sind, können derartige Vorratsgesellschaften so beliebt sein, dass sie von Spezialisten wie Advantec, Carthago Capital, CFO und XIAG SPAC Invest, sogar ganz ohne eine Vorgeschichte retortenmäßig gegründet werden. Man spricht dann von synthetischen Mantelgesellschaften.

Während bei den geborenen Pennystocks möglicherweise ein wenig greifbares operatives Geschäft vorliegen kann, ist das bei den Insolvenz- sowie den klassischen und synthetischen Mantelwerten praktisch nicht der Fall. Man hat es hier mit leeren Hüllen zu tun, und dennoch ereignen sich bei ihnen erstaunliche Kurswunder.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, ob smarte Börsianer tatsächlich von den Kurssprüngen bei diesen relativ wertlosen Aktien von Unternehmen profitieren können, die gar kein operatives Geschäft aufweisen.


Amerikanische Verhältnisse

 
In den USA ist man dieser Frage in einer umfangreichen empirischen Analyse nachgegangen. Ioannis Floros und Travis Sapp von der Iowa State University in Ames haben dort im Juni 2010 ein Arbeitspapier mit dem Titel „Shell Games: On the Value of Shell Companies” veröffentlicht. Darin wird die Kursentwicklung von 585 in den USA gehandelten Mantelgesellschaften untersucht und im Rahmen des Handlungskalküls eines rationalen Investors interpretiert.

Dabei stellten sie fest, dass die Kurse dieser Gesellschaften tendenziell fallen, wobei sie sich sogar innerhalb von acht Monaten halbieren. Ein kräftiger Anstieg, der im Durchschnitt etwa drei Monate andauert und insgesamt stolze 48,1 % beträgt, tritt jedoch ein, wenn ein neues Geschäft in den Mantel eingebracht und eine entsprechende Nachricht publiziert wird. Dieser Fall war in den USA relativ häufig, da er innerhalb eines Jahres bei der Hälfte aller betrachteten Mantelgesellschaften eintrat.

Diese kurzfristige Überrendite lag damit über der normaler IPOs und entschädigte damit nach der Interpretation der beiden Autoren die Investoren für die vorangehenden Kursverluste und das Risiko, sich an einem möglicherweise unattraktiven Mantel beteiligt zu haben.

Dem dreimonatigen Kursfeuerwerk folgte anschließend ein extremer Kursverfall, der über 90 % betrug.

Bei dieser volatilen Kursstruktur brauchten die Anleger also gute Nerven und ein glückliches und vor allem schnelles Händchen beim Ein- und Ausstieg. Wichtig ist es daher vor allem, Mantelgesellschaften auszuwählen, für die eine hohe Wahrscheinlicht besteht, dass ein reales Geschäft in das leere Rechtskleid eingebracht wird, da ansonsten die Mantelgesellschaften für ihre bloße Existenz nur Geld verbrennen. So brachte eine längerfristige Beteiligung an einem Portfolio aus Mantelgesellschaften im Durchschnitt Verluste.

Ein Investor steht daher nach dieser Untersuchung nur auf der Gewinnerseite, wenn ein Geschäft innerhalb von fünf Monaten nach dem Kauf der Aktie eingebracht wird. Dabei stellten sich vor allem die Illiquidität der Gesellschaften und die Unsicherheit über die tatsächliche Einbringung eines Geschäfts als besondere Probleme heraus.

Langer Schlaf und kurze Explosion oder Tod


Ein Blick auf die Charts deutscher Aktien dieser drei Klassen von Pennystocks kann diese Problematik veranschaulichen. Im Chart der Tria IT zeigt sich, wie der Kurs aus einem langen Schlaf plötzlich zu erwachen scheint, eine wahre Explosion erfährt und dann rasch wieder deutlich zurückfällt.


Dieser Absturz kann im Extremfall wie bei Sunburst Merchandising im Delisting von der Börse enden, nachdem die Gesellschaft zuvor vom Registergericht gelöscht wurde. Das bedeutet dann praktisch den Totalverlust des Investments.

Insolvenzaktien 

Zuvor hatten diese Aktien häufig ein sehr intensives Kursleben, aber mit dem Insolvenzantrag wird eine Entwicklung endgültig besiegelt, die zuvor meist schon längere Zeit vermutet wurde. Ein Beispiel ist der Kursverlauf der Aktie von Solar Millennium, einer Gesellschaft, die solarthermische Projekte in Angriff genommen hat und am 21. Dezember 2011 einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Kursentwicklung von Solar Millennium während der Insolvenz

Datum

Schlusskurs
Volumen
20.12.2011
1,10 €
17.600
21.12.2011
0,40 €
381.800
22.12.2011
0,36 €
416.800
4.04.2012
0,09 €
101.300


Synthetische Mantelaktien


Erheblich ruhiger bewegen sich die Kurse von Vorrats- oder synthetischen Mantelgesellschaften, da sich an ihrem Geschäftsmodell nichts ändert, bevor sich ein Käufer findet. Vorher wird nur Kapital für den laufenden Geschäftsbetrieb (Kosten für die Börsennotierung, Wirtschaftsprüfer, Verwaltung etc.) benötigt, wodurch allmählich das Eigenkapital abschmilzt. Impulse können von Kaufgerüchten ausgehen.

Die im Chart als Beispiel herangezogene Mandarin Capital weist so bei einem Eigenkapital von 200.000 € einen jährlichen Bilanzverlust von ca. 4.000 € aus.


Klassische Mantelaktien


Die Kurse klassischer Mantelaktien, die die Insolvenzphase mit ihrem Kurseinbruch bereits hinter sich haben, segeln ebenfalls lange Zeit in einem ruhigeren Fahrwasser, wie beispielsweise die NAK.


Das ändert sich jedoch abrupt, wenn ein operatives Geschäft in den Mantel eingebracht wird, wie dies bei der Duebag auf der Hauptversammlung am 24. Juni 2011 erfolgte, als die Aktionäre die Umfirmierung in getgoods.de AG und eine Sachkapitalerhöhung beschlossen, durch die 100% der HTM GmbH Handy-Trends + More in die umfirmierte Gesellschaft eingebracht wurden.

Der Durchschnitt: Verlierer und Gewinner


Auch das Kursleben von Gesellschaften ohne operatives Geschäft bietet somit zahlreiche Facetten, bei denen sowohl deutliche Gewinne und Verluste auftreten. Wenn man nach den Renditechancen von Investitionen in diese Anlageklassen fragt, muss man daher nach durchschnittlichen Entwicklungen suchen.

In einer kleinen Untersuchung wurden daher für den Zeitraum zwischen dem 1.9.2010 und dem 30.6.2012, also für 22 Monate Depots aus jeweils 20 Insolvenz- sowie klassischen und synthetischen Mantelwerten gebildet.

Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:


Durchschnittliche Depotentwicklung in zwei Jahren (1)

Kursentwicklung
Insolvenzaktien
Synthetische Mantelwerte
Klassische Mantelwerte
Durchschnittliche
Kursentwicklung 
+138,5 %
-36,6 %
+761,6 %
Totalverluste in %
20
 0
5
Verliereraktien insgesamt in%
80
70
60
Gewinneraktien insgesamt in %
20
30
40
Vervielfacheraktien in %
10
 0
30


In drei Mantelgesellschaften wurde in diesem Zeitraum ein neues operatives Geschäft eingebracht, wobei auch jeweils eine Umfirmierung erfolgte. Es sind dies: die Eyemaxx Real Estate  (ehemals Amictus), getgoods.de (ehemals DUBAG) und Mox Deals (ehemals Mediasource).

Eine ganz besondere Karriere weist in diesem Zeitraum die Aktie von Maier + Partner auf, die ebenfalls für ein neues operatives Geschäft fit gemacht wurde.

Auch ohne die beiden Extremfälle, also den Totalverlust bei Sunburn und die fast einmalige Kursexplosion bei getgoods betrug die durchschnittliche Entwicklung der achtzehn restlichen Aktien noch 29,2 %.

In dieser Zeit stieg der SDAX als Vergleichindikator von 4.113,62 auf 4.815,79, also um 17,1 %.

Danach erscheinen die klassichen Mantelwerte als eine von ihrer Renditenetwicklung her sehr interessante Anlageklasse, und das sogar wenn man sie nur nach einem Buy-and-hold-Prinzip auswählt und anschließend verwaltet.

(Fortsetzung folgt!)


(1) Die Depots bestanden aus folgenden Aktien, die nach einer Diskussion im Forum von amiculum.de ausgewählt wurden:

a) Klassische Mantelwerte: a.i.s., Amictus, Arndt, BHE, DÜBAG, F.A.M.E., Fr. Nols, German Brokers, Mediasource, NAK Stoffe, Omiris, Pinguin, Pittler, Porta Systems, Q-Soft, Questos, S&R Biogas, Softmatic, SPAG und Sunburst

b)Synthetische Mantelwerte: Aquamondi, Areus International, Artamia, Artemis Global Capital, Babylon Capital, Braivestor, Con Value, Equipotential, Horizont, Mandarin, n2 Nanotech, Nano Strategy, Ocagon Energy,
Protektus, Q2M, Schraad Metallbau, Tacitus, Tauris Bet., Valara Capital und Xerius

c) Insolvenzwerte: Arcandor, Arquana, Böwe, Cargolifter, CBB, Comtrade, Condomi, DLO, Gold-Zack, ISION Internet, Kampa, Maier + Partner, Met(a)box, Pfaff, Realtos, Stolberger Telecom, TV-Loonland, Walter Bau, Wanderer und WCM

Quellen:
Floros, Ioannis V. und Sapp, Travis, Shell Games: On the Value of Shell Companies, in: Journal of Corporate Finance, 2011, S. 850-886.
Kruse, Gereon, Tria IT-Solutions. 567 Prozent Kursplus in vier Tagen, Börse online vom 7.9.10.
Ders., Tria IT-Solutions Der 75.900-Prozent-Wahnsinn, Börse online vom 28.09.10.
Morrien, Rolf, Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht vor der große Abzocke, Newsletter vom 7.9.2010.
NN, Die tödliche Kunst der Aktienmanipulation
Skeptulant, Überrendite?, im Forum von www.amiculum.de

Insolvenz-Werte


Die Anatomie von Kursspielen
 

Renditen durch Kursexplosionen bei Insolvenzwerten



Für reine Logiker und Nichtbörsianer sind die Kurse der Aktien insolventer Unternehmen nur schwer verständlich; denn diese Insolvenzaktien verbriefen eine Beteiligung an einem Vermögen, das seinen Wert verloren hat. Trotzdem werden ihre Papiere noch weiterhin an Börsen gehandelt und haben damit einen Kurs, der mehr als Nichts beträgt. Die Preise dieser Anteilsscheine rangieren üblicherweise unter 5 Cent, ja meist liegen sie bei 1 oder 2 Cent oder noch darunter.

Auch wenn die Abweichungen von 0 damit absolut nicht riesig sind, 
machen diese Aktien immer wieder durch extreme relative Kurssprünge auf sich aufmerksam, da sich die niedrigen Kurse von Zeit zu Zeit wie von Geisterhand ver-x-fachen. Ein Teil dieser Bewegungen wird durch reale Veränderungen der Situation dieser börsennotierten Gesellschaft ausgelöst, die durch die Insolvenzsituation geprägt ist.


Der Ablauf des Insolvenzverfahren


Daher muss zunächst ein Blick auf den üblichen Gang eines Insolvenzverfahrens in Deutschland erfolgen, da dabei wichtige Teilabschnitte sichtbar werden, die durchaus eine unterschiedliche Kursbewertung rechtfertigen.

Nach der deutschen Insolvenzordnung (InsO) beginnt das Insolvenzverfahren mit der Stellung eines Insolvenzantrags beim zuständigern Insolvenzgericht. Den Antrag können die AG (Eigenantrag) oder ihre Gläubiger (Fremdantrag) stellen. Gründe sind dabei auf der Seite des Schuldners eine drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 19 InsO) oder eine Überschuldung (§19 InsO) bzw. eine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), wenn ein Gläubiger den Antrag stellt.

  
Gleich mit der Antragsstellung wird der AG die Möglichkeit eingeräumt, sich durch eigene Vorschläge aus ihrer Lage zu befreien. So kann sie mit dem Antrag einen Insolvenzplan einreichen, der eine Weiterführung des operativen Geschäfts durch den alten Vorstand (Insolvenz in Eigenverwaltung) vorsieht. Praktische Voraussetzung ist dafür eine gute Auftragslage und positiv verlaufende Vorgespräche mit den Gläubigern. Schließlich ist es deren Ziel, einen möglichst hohen Anteil ihrer Forderungen zurückzubekommen. Sie werden daher immer eine Lösung wählen, die für sie besonders vorteilhaft scheint. Das kann dann durchaus auch eine Weiterführung mit Verbindlichkeiten sein, auf die man ganz oder teilweise verzichtet oder die man zumindest stundet.

Diese auch für die Aktionäre positive Lösung, wie sie beispielsweise bei der paragon AG gelungen ist, ist jedoch nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Üblicherweise sieht es für die Aktionäre erheblich düsterer aus.


Allerdings kann es auch ohne einen vorgelegten Insolvenzplan noch eine kleine Hoffnung geben. Falls sich die Situation der Gesellschaft anschließend ändert, weil beispielsweise ausstehende Zahlungen eingehen oder sich Gläubiger entgegenkommend verhalten, kann der Antrag zurückgenommen werden.

Nach einer gerichtlichen Prüfung, die meist ca. drei Monate, aber auch fast ein Jahr dauern kann, wird über den Antrag entschieden. Falls die Gründe vorliegen und genügend Masse für den Insolvenzverwalter vorhanden ist, wird das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der dafür sorgen muss, die Forderungen der Gläubiger möglichst weitgehend zu befriedigen.



Falls die Insolvenzmasse nicht für die Begleichung der Leistungen des Insolvenzverwalter vorhanden ist, man spricht dann von Masseunzulänglichkeit gemäß § 211 Abs. 1 InsO, wird die Gesellschaft umgehend aufgelöst und auch innerhalb kurzer Fristen die Börsennotierung eingestellt.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befindet sich die Aktiengesellschaft als Rechtsperson in einem Schwebezustand, während das operative Geschäft vom Insolvenzverwalter ausgegliedert oder verkauft ist. In dieser Zeit ist das endgültige Schicksal der Gesellschaft offen und das über viele Jahre. So sind Zeiträume von fast 10 Jahren keine Seltenheit. Daher sind beispielsweise die Aktien vieler Unternehmen des Neues Marktes, die häufig 2001 und 2002 Insolvenz anmelden mussten, immer noch an einer Börse gelistet.

In dieser Zeit können die Insolvenzverwalter – eine entsprechende Motivation vorausgesetzt – nicht nur die unmittelbare Befriedigung der Gläubigerinteressen verfolgen, sondern auch durch die Rettung des Börsenmantels noch einen Wert schaffen. Das setzt dann eine entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Gläubigern voraus und wird wegen dieses Aufwandes nur relativ selten versucht. Aber es gibt Ausnahmen. So hat etwa der Insolvenzverwalter der Tria IT eine entsprechende Absicht auf seiner Homepage erklärt, wodurch der Kurs dieses Unternehmens deutlich höher notiert als der anderer Insolvenzwerte.

Am Ende des Verfahrens steht nur sehr selten eine Insolvenzaufhebung, wenn dies nicht bereits vorher durch Interventionen gelungen ist. Sonst erfolgt die Auflösung der Gesellschaft und ihre Löschung im Handelsregister. Mit zeitlicher Verzögerung wird dann schließlich auch der Handel der Aktie an der Börse eingestellt. Die Papiere, die dann nicht einmal mehr eine Börsennotierung aufweisen, werden dann nur noch außerbörslich gehandelt, falls es einen entsprechenden Bedarf gibt.

In der Insolvenzphase können alle Insolvenzwerte als potenzielle Mantelwerte gesehen werden. Ihr realer Wert orientiert sich daher an den entsprechenden Chancen. Dazu sind die Vorlage eines Insolvenzplans, die Einberufung einer Gläubigerversammlung und einer anschließenden Hauptversammlung wichtige Zwischenstufen, die entsprechende Kursfantasien auslösen. Der Hintergrund sind dabei die extremen relativen Kursunterschiede. Insolvenzwerte ohne besonderen Pfiff werden üblicherweise mit 1 oder 2 Cent bewertet, Mantelwerte hingegen mit dem mehr als 10-fachen.

An einigen Fallbeispielen lassen sich diese erheblichen relativen Kurssprünge, die den Reiz von Spekulationen mit Insolvenzaktien ausmachen, veranschaulichen.

Insolvenz light: Insolvenz in Eigenregie und Insolvenzaufhebung: die paragon AG

Nachdem die paragon AG, ein Zulieferunternehmen aus dem ostwestfälischen Delbrück, infolge des weltweiten Absatzeinbruchs in der Autoindustrie im Herbst 2008 in eine existentielle Schieflage geriet, wurde zum 1. Januar 2010 ein Insolvenzverfahren eingeleitet, das per 31. Mai des gleichen Jahres erfolgreich abgeschlossen werden konnte. 


Insolvenznachrichten und Kursreaktionen bei der paragon AG


Datum
Eröffnung
Tageshoch
Tagestief
Volumen
Ereignis
05.10.2009
2,11
2,11
0,82
26.800
Insolvenzantrag gestellt
06.10.2009
0,91
1,17
0,91
29.850

30.12.2009
0,95
0,95
0,95
-
Insolvenzverfahren eröffnet
04.01.2010
1,07
1,07
1,07
-

31.05.2010
4,00
4,00
4,00
2.560
Insolvenz aufgehoben
04.06.2010
4,80
5,70
4,00
12.499



Insolvenzrücknahme bei der S & R Biogas

Seltener sind die noch deutlich positiveren Meldungen über eine Rücknahme des Insolvenzantrags. Daher ist die Kursreaktion auch entsprechend größer, wie das Beispiel der ehemaligen S & R Biogas und jetzigen S & O Agrar zeigt. 

So hatte S&R Biogas am 26.01.2011 einen Insolvenzantrag gestellt und diesen am 5.11 wieder zurückgezogen, was zu einem wahren Kursfeuerwerk führte.



Insolvenznachrichten und Kursreaktionen bei der S & R Biogas

Datum
Eröffnung
Tageshoch
Tagestief
Volumen
Ereignis
25.01.2011
0,10
0,10
0,07
 153.700
Insolvenzantrag gestellt
26.01.2011
0,06
0,07
0,06
5.000

10.05.2011
0,06
0,94
0,06
350.377
Insolvenzantrag zurückgezogen
11.01.2011
0,74
0,74
0,43
358.367

17.05.2011
0,36
0,44
 0,36
 52.930



Diese völlige Überraschung für alle Außenstehenden hat also an einem einzigen Tag den Kurs mehr als ver-15-facht, denn er ist um fast 1470 % emporgeschnellt. 

Vom Insolvenz- zum Mantelwert: Maier + Partner


Bei Maier + Partner hatte im Dezember 2005 das Finanzamt Reutlingen einen Insolvenzantrag gestellt. In den Folgenjahren wurde dann von einem Investor aus Hong Kong ein Anteil von fast 22 % gemeldet und eine Plansanierung in Aussicht gestellt. Das notwendige Planinsolvenzverfahren sollte 150.000 € kosten.


Insolvenznachrichten und Kursreaktionen (1) bei Maier + Partner

Datum
Eröffnung
Tageshoch
Tagestief
Volumen
Ereignis
01.04.2011
0,92
1,00
0,92
2.750
 Einladung zu einer a.o. HV durch Minderheitsaktionär
06.04.2011
2,40
3,54
2,20
39.546

12.05.2011
1,80
3,34
1,80
125.264

13.05.2011
2,96
4,60
2,38
87.928
a.o. Hauptversammlung
14.05.2011
4,80
4,90
 2,16
40.356

30.08.2011
3,50
4,72
3,00
42.543
Insolvenzplan rechtskräftig
29.10.2011
3,34
3,76
2,62
27.752
Insolvenzverfahren aufgehoben

1) Kurse adjustiert nach einem Kapitalschnitt von 20:1, der auf der HV am 13.5. 2012 beschlossen wurde. Ein Kurs von 2 € in der Tabelle entspricht also einer damaligen Notierung von 10 Cent.

Kurseffekte lassen sich hier durch die Einladung zu einer a.o. HV, die Durchfühung der Hauptversammlung, die Vorlage eines rechtskräftigen Insolvenzplans und schließlich die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erkennen, vor allem jedoch auf Gerüchte im Vorfeld der aoHV zurückführen. 


Aktionärsaktivitäten während der Insolvenzzeit


Auch wenn der Vorstand, der ja vom juristischen Prinzip her ein Angestellter der Aktionäre ist, seine Befugnisse an den Insolvenzverwalter abtreten musste, sind die Aktionäre in der Insolvenzzeit nicht vollständig entmündigt. Sie können allerdings nur sehr indirekt Einfluss nehmen, und zwar über die weiterhin gehandelte Aktie, auch wenn diese häufig nicht mehr das in der Regel abgetrennte operative Altgeschäft repräsentiert.

Meldungen von Aktionären


Da die Aktien an der Börse oder auch außerbörslich ge- und verkauft werden können, sind auch während der Insolvenzzeit größere Änderungen im Aktionariat möglich. Entsprechende Meldungen können, wie die Beispiele in der folgenden Übersicht zeigen, deutliche Wirkungen auf den Kurs haben, auch wenn diese nicht besonders nachhaltig zu sein scheinen. Immerhin haben sich die Kurse teilweise mehr als verdoppelt, so bei Wohnbau Schwarzwald und Günther. Offensichtlich konnten die Meldungen also für Fantasien durch eine Mantelverwertung und damit für Käufer sorgen. Das war für die Neueinsteiger jedoch in der Regel kein gutes Geschäft, da die Kurse eine Woche nach der Meldung im Durchschnitt nicht über dem Eröffnungskurs am Tag der Meldung lagen. Zumindest kurzfristig haben also nur Aktionäre verdient, die die Aktien vor der Meldung billig eingesammelt und dann mit der Meldung schnell abgestoßen haben.


Kurseffekte von gemeldeten Beteiligungsquoten bei Insolvenzaktien


AG
Meldung
Meldetag
Kurs 1 Woche
vor Meldung (Eröffnung)
Kurs am Meldetag (Eröffnung)
Kurs am
Folgetag
(Höchstkurs)
Kurs nach 1 Woche
(Eröffnung)
B.A.U.M.
10 %
06.08.2010
0,10
0,15
0,24
0,15
Hirsch
7,5  %
21.03.2011
0,07
0,13
0,30
0,19
B.A.U.M.
5 %
26.05.2011
0,27
0,27
0,41
0,33
B.A.U.M.
5  %
11.10.2011
0,29
0,43
0,84
0,44
Wohnbau Schwarzwald
20 %
30.08.2011
0,80
0,80
1,88
0,75
Günther + Sohn
5 %
21.12.2011
0,45
0,40
1,60
0,60
Hirsch
5  %
21.03.2012
0,12
0,11
0,15
0,13
Hirsch
7,5  %
23.04.2012
0,11
0,13
0,14
0,12
Hirsch
10  %
27.04.2012
0,13
0,11
0,12
0,10
EmQtec
25 %
14.05.2012
0,25
0,26
0,29
0,24
EmQtec
30 %
03.07.2012
0,29
0,31
0,36
0,25


Allerdings scheinen auch die Käufer, wie die Entwicklung der Aktiekursen der Hirsch-AG zeigt, bei der nur im ersten Fall ein deutlicher Kurssprung erfolgte, bei diesen Nachrichten durchaus lernfähig zu sein. So gab es zunächst einen deutlichen Schub nach oben; denn vor der ersten Stimmrechtsmeldung hatte der Kurs lange Zeit bei ca. 0,06 € gelegen. Die später im März und April 2012 gehäuften Meldungen hatten dann praktisch keine Wirkung mehr.


Öffentliche Kaufangebote


Ein anderer Weg, ein mögliches Interesse an einem Insolvenzwert auszudrücken, ist ein öffentliches Kaufangebot an die Aktionäre dieser Gesellschaft. Dadurch lassen sich einerseits Aktien einsammeln, wenn man den Altaktionären ein attraktives Angebot macht, andererseits sorgt dieses veröffentlichte Interesse für Diskussionen und Vermutungen, die nicht selten zu Auswirkungen auf den Kurs führen.

Ein Beispiel ist der inzwischen nicht mehr gelistete Mantelwert Questos, für den es ein Freiwilliges Kaufangebote an einer Nortrax Treuhand AG aus Bremen gab, wobei wegen eines beteiligten Anwalts Verbindungen zum Mantelspezialisten Carthago Capital Beteiligungen vermutet wurden, was sich dann auch mehr oder weniger bestätigt hat.


Das Beispiel Questos als Übernahmefall


Datum
Meldung
Eröffnungskurs  1 Woche
vor Meldung
Eröffnungskurs
am Meldetag
Höchstkurs am
Folgetag
Eröffnungskurs  nach 1 Woche
19.08.2003
Kaufangebot zu 0,10 € bis 12.9. 2003
2,48
2,22
3,50
4,02
12.09.2003
Verlängerung bis zum 26.9.2003
4,80
3,60
3,60
3,60
23.11.2004
Kaufangebot zu 0,10 € bis 13.12. 2004
2,80
2,02
2,64
2,64
28.02.2005
Mehrheit bei Carthago und befreundeten Investoren
 4,70
5,40
27,60
10,60
08.04.2005
ao HV mit Rekapitalisierungsbeschlüssen
15,40
15,00
15,40
15,00
21.05.2007
Mitteilung eins Erörterungstermins für den Insolvenzplans
12,00
12,00
12,00
12,60
22.11.2007
Aufhebung des Insolvenzverfahrens
11,00
11,00
11,00
11,00

Auch wenn sich die Übernahme der Mehrheit, die durch Kaufangebote eingeleitet wurde, über einen längeren Zeitraum hinzieht, kam es im Verlauf zu deutlichen Kurssteigerungen, wobei hier, wie auch in vielen anderen Fällen, die Erwartung bzw. Fantasie sich in höheren Börsenkursen niederschlug als die spätere Realität. 


Ankündigungen und Gerüchte von Neuausrichtungen


Ähnlich wie neue Mehrheitsverhältnisse wirken konkrete Pläne, die sich auf ein insolventes Unternehmen beziehen. Das ist besonders dann der Fall, wenn eine renommierte Wirtschaftszeitung über nachvollziehbare Absichten berichtet. Ein gutes Beispiel für die Kurseffekte solcher Meldungen ist die Gontard & Metallbank, die sich zu Zeiten des Neuen Marktes als Teil des Goldzack-Imperiums auf IPOs spezialisierte und mit dem Platzen der NM-Blase im Mai 2002 insolvent wurde.


Gleich im Oktober gab es bereits erste Nachrichten von einer Änderung des Aktionariats. So meldete die Magnus, eine Beteiligungsgesellschaft aus dem Umfeld des nicht unumstrittenen Hamburger Investors Beuttenmüller, die Übernahme einer Beteiligung von 25,1 % an. Hintergründe mit den entsprechenden Interpretationsmöglichkeiten für zukünftige Gewinne wurden gleich mitgeliefert. Dazu zählen die Verbindung zu einem texanischen Geschäftsmann und die Absicht, aus der insolventen Gontard & Metallbank ein Spezialhaus für die Emission von Unternehmensanleihen zu entwickeln.

Nachdem diese Ankündigungen ohne fundamentale Folgen nur sehr kurzfristig einen Kursimpuls auslösen konnten, folgte drei Jahre später ein formal ähnlicher, inhaltlich jedoch durchaus kreativer neuer Wiederbelebungsversuch für die insolvente Bank.


Initiator war ein Kölner Finanz- und Unternehmensberater Alexander Lichtenberg, der per Zeitungsanzeigen die Aktionäre der Bank, falls sie über einen Depotwert von mehr als 5.000 Euro verfügten, zum 9. Februar 2006 zu einer Informationsveranstaltung in das Kölner Nobel-Hotel Excelsior einlud. Diese Absicht blieb nicht ohne Folgen; denn am 20. Januar berichtete das Handelsblatt ausführlich über die Hintergründe.

Danach hatte der Initiator innerhalb von vier Jahren sechs Mio. € in die Vorbereitung des Aktionärstreffen investiert und dabei über zwei Aktienclubs 28,57 % der Aktien eingesammelt, die zwischen drei oder vier Cent gehandelt wurden. Durch weitere Absprachen sollte die Gruppe über annähernd 60 % des Grundkapital verfügen. 

Das Geld war jedoch nicht nur in den Kauf der Pennystocks geflossen, sondern auch in die Entwicklung eines neuen

Geschäftsmodells, für das sogar erste Computerprogramme erstellt wurden. Kerngedanke war die Schaffung einer Internet-Direktbank auf das Kreditgeschäft des kleineren Mittelstandes, deren Vorteile vor allem in einer hohen Transparenz, Schnelligkeit und Effizienz gesehen wurden.

 
Um diesem Ziel näher zu kommen, wollte man mit den Gläubigern einen Forderungsverzicht zu Gunsten eines Besserungsscheins und einen Insolvenzplan aushandeln, was den Weg zur Aufhebung der Insolvenz, einer Hauptversammlung und zu einer Kapitalerhöhung frei machen sollte. 

Die Informationsveranstaltung brachte dann jedoch keinen Durchbruch. Vielmehr musste einige Tage später berichtet werden, dass ein Investor seine Zusage über 60 Mio. € zurückgezogen habe. Aber auch unabhängig davon war es ab dem 17. Februar zu einem Verkaufsdruck auf die Aktien gekommen, die zunächst am Tag nach der Versammlung noch ein neues Hoch von 0,33 € erreichen konnten. Am Tag drauf stieg dann jedoch das Umsatzvolumen, das am Info-Tag noch bei 1 Mio. Aktien und Anfang des Jahres bei 100.000 Aktien gelegen hatte, auf das 10fache.



Meldungen und Kursentwicklungen bei der Gontard & Metallbank 2002-6

Datum
Meldung
Kurs 1 Woche
vor Meldung
Eröffnungskurs am
 Tag der Meldung
Kurshoch in den 3 Tagen
während der Meldung
11.09.2002
MAGUS GmbH erwirbt
25,01 %-Anteil von Gold-Zack
0,04
0,14
0,15
16.10.2002
Einsteig eines US-Investors
0,10
0,10
0,16
 22.10.2002
Neuer Vorstand von Makro angekündigt
0,09
0,07
0,09
20.01.2006
HB-Bericht über Infoveranstaltung am 9. 2.2006
0,20
0,31
0,39
09.02.2006
Infoveranstaltung in Köln
0,23
0,26
0,33
17.02.2006
(12,8 Mio. Aktien gehandelt)
0,31
0,14
0,20

Durch die angekündigte und durchgeführte Informationsveranstaltung, über die die einschlägige Wirtschaftspresse berichtete, hat sich also am Insolvenzstatus des Pennystocks nichts geändert, wohl aber am Kurs. Der hat sich, wie in der FAZ ohne dabei das Handelsblatt als Beteilten zu vergessen, anführte, „vom Kursniveau bei vier Cents binnen drei Wochen auf 39 Cents annähernd verzehnfacht.“ Wer rechtzeitig ein- und ausstieg, konnte also bei den hohen Handelsvolumina nicht nur relativ einen guten Schnitt machen.

Kursexplosionen ohne News

Von der Theorie her sind abrupte Kursveränderungen nur möglich, wenn damit auf entsprechende Nachrichten oder zumindest Gerüchte reagiert wird. Rätsel geben daher Kursexplosion auf, die weder mit veröffentlichten Unternehmensmeldungen, Gerüchten oder auch nur plausiblen Erklärungen verbunden sind. Und trotzdem ereignen sich diese Kursanomalien, und zwar bei Insolvenzaktien, wenn man die relativen Kursveränderungen beachtet, gar nicht so selten.



Ein besonders extremer Fall war dabei im Jahr 2010 die Aktie von Tria IT, wo der Kurs mit 22,00 € kurzfristig eine Höhe erreichte, wie man sie sonst nicht von wertlosen Insolvenzwerten, sondern von Aktien kennt, deren Gesellschaften Gewinne erwirtschaften und Dividenden ausschütten. Beides traf jedoch für diese Gesellschaft keineswegs zu, denn sie war vor und nach den Kurskapriolen insolvent. So hatte der Vorstand hatte am 1. März 2010 beim Amtsgericht München einen Insolvenzantrag gestellt und das Gericht  hatte daraufhin das Verfahren am 1. Mai 2010 eröffnet.

Der Insolvenzwert Tria IT erreichte mit 22 € am 27.9.2010 ein Kursmaximum, nachdem er vorher bis Anfang Juli noch bei 0,11 € gelegen hatte. Tria erwies sich also als ein Ver-200facher in nicht einmal vier Monaten. Man hätte somit in dieser Zeit bei einem ursprünglichen Einsatz von 5.000 € zum Millionär werden können.


Kurse und Volumina von Tria IT 2010


Tag
Tageshoch
Handelsvolumen in Stück  
1.03.2010
0,24 €
5
3.05.2010
0,15 €
100
28.07.2010
0,14 €
2
2.09.2010
0,50 €
12.900
2.09.2010
1,21 €
137.000
6.09.2010
2,95 €
312.000
7.09.2010
2,30 €
415.000
15.09.2010
2,09 €
3.600
23.09.2010
5,60 €
155.000
27.09.2010
22,00 €
263.000
28.09.2010
14,50 €
700.600
15.10.2010
2,39 €
53.000
9.04.2013
0,45 €
250
Quelle: www.finanzen.net

Auch aus heutiger Perspektive konnten damals keine Insiderkäufe oder Reaktionen auf eine bessere Perspektive für das insolvente Unternehmen verantwortlich sein; denn es hat keine entsprechenden Nachrichten gegeben. Nur wurde auf der Seite der beteiligten Anwaltskanzlei angekündigt, dass sich der Insolvenzverwalter durch einen Insolvenzplan um einen Erhalt des Börsenmantels bemüht.

Die Experten, die sich in Internetforen über Aktien austauschen, suchten daher nach eher technischen Erklärungen, die alle ein kompliziertes Zusammenspiel verschiedener Zockerstrategien annahmen. Ausgangspunkt waren jeweils Initiatoren, die bereits größere Bestände besaßen und in einem ausgetrockneten Markt durch Zukäufe den Kurs deutlich in die Höhe treiben konnten. Dadurch wurden Zocker aufmerksam, die auf steigende Trends setzen. Die Kumulation beider Kaufmotive führte zu derart deutlichen Kursgewinnen, dass Short-Seller mit einer Korrektur rechneten und ebenfalls einstiegen. Da jedoch die Kurse bis zum Abend, hier also etwa seit dem 23. September, nicht nachgaben, mussten sich die Leerverkäufer durch Zukäufe zu weiter gestiegenen Kursen glattstellen. Dieses Zusammenwirken setzte sich auf höherem Niveau am folgenden Tag fort, bis eine Aktie, die praktisch nur eine Börsennotierung und Forderungen von Gläubigern repräsentiert, die unglaubliche Kurshöhe von 22 € erreichte.

Für Rolf Morrien, den Leiter des Börsendienstes „Der Depot-Optimierer“ war dieses teilweise zufällige Zusammenspiel jedoch so unwahrscheinlich, dass er eine nicht mehr menschliche Lösung für das Rätsel in die Erklärungsdebatte warf. Die übernatürliche Macht könnten für ihn automatische Trading-Systeme sein, „die „blind“ kaufen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden.“

Ein Mensch, der die Entscheidungsalgorithmen eines derartigen Systems kennt, könnte nach dieser These zunächst durch ein gezieltes Trading Bedingungen geschaffen haben, die beim System die gewünschten Reaktionen auslösen. Er hätte so eine „riesige Abzock-Falle konstruiert“.



Spamming en miniature: Das Beispiel der Walter-Bau-Aktie im August 2012


Kurse lassen sich allerdings auch eher amateurhaft durch halbwegs plausible fiktive Nachrichten beeinflussen. So wurde am 10. August 2012, um ein fast beliebiges Beispiel herauszugreifen, von einem User, der sich offensichtlich nur zu diesem Zweck als neues Mitglied im Aktienportal wallstreet-online angemeldet hatte, eine Nachricht verbreitet. Dabei wurden nicht beliebige Threads benutzt, sondern gezielt die Diskussionen ausgewählt, in denen die Fans von Insolenzwerte das Für und Wider ihrer Aktienauswahl erörtern.


In diesem Fall ging es um die Walter Bau, einen traditionsreichen Konzern aus Augsburg, bei dem am 1. April 2005 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das vielen damals wie ein Aprilscherz erschien. In die Schlagzeilen überregionaler Zeitungen geriet das insolvente Unternehmen im Juli 2011, als es dem Insolvenzverwalter gelang, eine staatliche thailändische Boeing 737 auf dem Münchener Flughafen festzusetzen, um damit eine seit zwei Jahrzehnten offene Forderung über 30 Millionen € für den Bau einer Straße wischen Bangkok und dem dortigen Flughafen durchzusetzen. Soweit der historische Hintergrund einer kurstreibenden Spammeldung. Nach der Spam-Nachricht, die anschließend schnell wieder vom Betreiber des Forums gelöscht wurde, wurde „soeben .. eine Zahlung von 30 Millionen (!!!) zugunsten der WALTER BAU AG entschieden, und zwar vor einem US-Gericht gegen Thailand!!!“.

Diese Nachricht, die die alte Forderung als realen Bezug hatte, blieb in dem Posting nicht unkommentiert, denn sonst hätte sie vielleicht nicht jeder Leser richtig einschätzen und in der gewünschten Weise handeln können. Daher folgte gleich die Aufklärung mit einigen einschränkenden Fragezeichen, aber einer dennoch deutlichen Aussage: 

“So fing es bei Primacom vor der Kursver-10-fachung auch an. Kommt das jetzt auch bei Walter Bau? Die Aktie notiert noch nahe Allzeit-Tief, hier sollten im Idealfalle mehrere hundert Prozent Chance drin sein. Bald auch 1 €? Aktuell noch unter 5ct.!!! Dem Makler gehen die Aktien aus oder er kommt mit dem Taxen nicht mehr nach...“


Tatsächlich wurden um 13 Uhr 47, d.h. gut zehn Minuten bevor diese Meldung verbreitet wurde, genau 18 Aktien zu 0,023 € gehandelt. Erst ab 14.30 Uhr setzte dann eine Flut von Transaktionen ein, sodass die Aktie aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte und an einem Tag über 3,2 Mio. Aktien gehandelt wurden, während er an normalen Tagen nur ca. 20.000 waren. Wie die folgende Übersicht zeigt, war die gesamt Aktion eine Wochenendepisode, da nur an einem Freitag und dem folgenden Montag sich der Kurs verdoppelte und eine ungewöhnlich hohe Zahl von Aktien umgesetzt wurde. Hätte sich jemand zuvor mit Aktien zu 0,02 € eingedeckt und an diesen beiden Tagen die insgesamt umgesetzten 4 Mio. Stück verkauft, hätte er durch die Kursverdoppelung ohne die Berücksichtigung von Transaktionskosten 80.000 € gewinnen können

Kurse und Handelsvolumina der Walter-Bau-Aktie im August 2012

Datum
Eröffnungskurs
Tagshöchstkurs
Handelsvolumen
01.08.2012
0,02 €
0,02 €
21.000
09.08.2012
0,02 €
0,02 €
50.000
10.08.2012
0,02 €
0,05 €
3.231.442
13.08.2012
0,04 €
0,04 €
840.000
16.08.2012
0,02 €
0,02 €
21.000
Quelle: www.finanzen.net


Renditen aus Explosionen: Handelsstrategien für Insolvenzaktien

Diese hier exemplarisch vorgestellten Kurssprünge sind ein Charakteristikum der Charts von Insolvenzaktien, wenn man sie beispielsweise mit denen von operativen Aktiengesellschaften vergleicht, deren Kursentwicklung vor allem von relativ kontinuierlichen fundamentalen Entwicklungen geprägt ist. So ist das eigentlich im Börsenleben Untypische, also abrupte, extrem kurzfristige Kursauschläge hier das Typische, auch wenn es im Zeitablauf relativ selten auftritt. So dümpeln die Kurse einige Insolvenzaktien nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens langsam gegen die 0 Cent Grenze, während bei anderen vielleicht alle ein oder zwei Jahre einmal für ein paar Tage ein aufsehenerregender Ausbruch erfolgt.


Dieses Kursfeuerwerk verdienet eine nähere Betrachtung, da es zumindest theoretisch Chancen auf eine gute Rendite schafft, wenn es gelingt, die betroffenen Pennystock im richtigen Moment zu besitzen und zu verkaufen.

Die Verfolgung von Empfehlungen


Da viele Börsianer nicht an Zufälle glauben, auch wenn sie nach der CAPM eher die Regel als die Ausnahme sein sollen, verlassen sich einige Fans von Insolvenzaktien auf entsprechende Tippdienste, die sich nicht selten auf Pennystock fokussieren.

Dabei ist nach breiter angelegten Untersuchungen für die Empfehlungen von Analysten kaum mit Überrenditen zu rechnen.

Das Beispiel Sharedeals

Wie die Diskussionen in den entsprechenden Foren zu Insolvenzaktien zeigen, informieren sich viele User auf der Seite www.sharedeals.de, die mit dem Slogan „one trade ahead“ für sich wirbt.

Diese Aussage kann man als Versprechen interpretieren, sodass frühe Leser der aktuellsten Empfehlung an der Börse einen Vorsprung gegenüber dem Gros der weniger Schnellen haben und damit den sprichwörtlichen Wurm fangen, der einen Weiterverkauf mit Gewinn ermöglicht.

Dieser Handel ist damit ein Spiel, bei dem es auf die Entschlussfreudigkeit und Schnelligkeit ankommt; denn der Betreiber dieses kostenlosen Angebots gibt entsprechenden den gesetzlichen Regelungen in Deutschland an, dass er sich auch an der Spekualation beteiligt. So erklärt er unter Verweis auf § 34b Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes „im Besitz des Finanzinstruments zu sein, auf das sich der .. publizierte Beitrag bezieht und er dessen kurzfristige Veräußerung plant. Hierdurch besteht die Möglichkeit eines Interessenkonflikts.“


Für den Zeitraum eines Jahres wird im Folgenden versucht, den Zusammenhängen zwischen Empfehlungen und Kursentwicklungen nachzugehen. Allerin wegen dieser zeitlichen Begrenzung können dadurch keine allgemein gültigen Aussagen über die Profitabilität gemacht werden, sondern nur Daten für die konkreten Fälle. Bewertungen und Schlussfolgerungen liegen dann außerhalb des empirischen Datenkreises.


Kursentwicklungen einiger von Sharedeals empfohlener deutscher Insolvenz- und Mantelaktien ( Mai 2011 – Juli 2012)


Aktie
Datum
Vortag
(Eröffnung)
Eröffnungskurs
(Meldetag)
Folgetag (Maximum)
1 Woche später (Eröffnung)
Autor
Begründung
GWB
27.07.2012
0,08
0,19
0,28
1,16
Redaktion
Mögliche Aufhebung der Insolvenz nach Zeitungsartikel
Nols
02.11.2011
0,83
0,98
1,00
0,96
Redaktion

Nols
28.10.2011
0,75
0,76
0,80
0,98
Redaktion
Massive unlimitierte Käufe
Systaic
25.06.2011
0,18
0,17
0,21
0,15
Redaktion

Univerma
17.06.2011
0,95
0,97
1,24
0,96
Redaktion

Maier+Partner
20.05.2011
2,02
2,26
2,72
2,00
Redaktion

Pakteria
01.05.2011
2,83
3,05
3,72
2,84
Redaktion


Die Auswertung ist gerade in diesem Fall sehr spannend, da sich wie generell bei Insolvenzaktien die Lager der Pusher und Basher besonders feindselig gegenüberstehen. So wollen auch hier einige mit dem Empfehlungen einen guten Schnitt machen, während andere die Usergruppe mit Lemmingen verglichen, die blind den Empfehlungen von Aktiengurus und anderen –experten folgen, obwohl sie dadurch angeblich selbst unter dem Strich Verluste machen, ja, häufig wird sogar unterstellt, dass außer dem, der zur Zeit der Veröffentlichung einer Empfehlung die Aktie bereits in seinem Depot hatte, niemand verdienen kann. 

Man kann sich daher fragen, ob sich der Kauf der Aktien, die Sharedeals herausstellt, lohnt oder ob man besser auf die Warnungen kritischer User hören sollte.


Eine kleine Auswertung der Empfehlungen, die noch Ende Juli 2007 auf der Seite sharedeals.de verzeichnet waren (GWB, Maier+Partner, Nols (2x), Pakteria, Systaic und Univerma) kann eine konkrete Antwort auf diese Frage geben, wenn auch beschränkt auf den Untersuchungszeitraum. Als Beobachtungszeitpunkte für die acht Vorschläge dienten in dieser Auswertung der Empfehlungstag, der folgenden Tag und jeweils den Tag eine Woche vor und nach der Empfehlung gewählt.

Das Ergebnis bestätigte die Warnung an potenzielle Lemminge gelangt, wobei die Höhe der Effekt aus dem Rahmen vergleichbarer Untersuchungen über Aktienempfehlungen fiel. So hat sich nach den beiden Wochen einer Haltezeit letzten Endes an den Kursen der Aktien praktisch nichts geändert, wenn man den Median als Mittelwert betrachtet. Sharedeals konnte also in den betrachteten Fällen bei den Pennystocks keineswegs das Gras wachsen hören.

Zwischen diesen Endpunkten gab es jedoch einen kräftigen Kursausschlag von 30% zwischen dem Kurs eine Woche vor dem Empfehlung und dem Höchstkurs am Tag nach der Empfehlung.

Anschließend ging es dann wieder deutlich bergab; denn der Kurs fiel von diesem Hochpunkt um 20% in der Woche nach der Empfehlung.
Bei diesen relativ konsistenten Daten ist es nicht schwer, den Gewinner bei diesen Empfehlungen auszumachen. Erstaunlich dürfte jedoch die Höhe der Effekte bei diesen sehr kurzfristigen Transaktionen sein.

Private Internetempfehlungen: das Beispiel eines „Dailyhotstock-Blogs“

Ein Freund von Insolvenzwerten, der sich als ein Thorsten Holtzmann ausgab, ist dem Beispiel von Sharedeals gefolgt und hat in einem Blog ähnliche Empfehlungen ins Netz gestellt. Allerdings dauerte dieser versuch nur einige Wochen. Dann wurde das Experiment angeblich durch eine Intervention der Bafin gestoppt


Immerhin reichen diese Zeit und vor allem die vorgestellten Empfehlungen aus, um wie im Fall von Sharedeals den Erfolg dieser zum Kauf vorgeschlagenen „Dailyhotstocks“ zu untersuchen.
Thorsten Holtzmanns Dailyhotstock-Empfehlungen
Aktie
Datum der
Empfehlung
Kurs eine Woche vor der Empfehlung
Eröffnungskurs
am Empfehlungstag
Höchstkurs am Folgetag
Eröffnungskur
1 Woche später
Amatech
25.07.2012
0,04
0,04
0,15
0,08
BKN biostrom
30.07.2012
0,04
0,07
0,12
0,07

Mania
16.07.2012
0,02
0,02
0,03
0,02
Solarhybrid
24.07.2012
0,06
0,05
0,12
0,08
Stella
04.07.2012
0,04
0,05
0,08
0,07
BKN biostrom
27.06.2012
0,06
0,03
0,05
0,04
EmQtec
06.03.2012
0,17
0,20
0,40
0,29
Loginet3
13.06.2012
0,01
0,01
0,02
0,01


Bevor das Blog ein plötzliches Ende erfuhr, konnte auf der Seite http://dailyhotstock.blog.de/ die Herausstellung von acht Aktien verfolgt werden, wobei mit BKN biostrom ein Papier wiederholt empfohlen wurde. Gründe für einen erwarteten Kursanstieg nannte der Auto nur in zwei Fällen, so ein niedriges Marktvolumen der Aktie und die Möglichkeit eines Rebounds nach einem Kursverfall.

Eine vergleichbaren Auswertung wie die für die Empfehlungen von Sharedeals kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Jedoch sind die relativen Gewinne und Verluste deutlich ausgeprägter. So steht einer durchschnittlichen Kursverdopplung in einem achttägigen Zeitraum von einer Woche vor der Empfehlung und dem Höchstkurs am Tag nach der Empfehlung ein Verlust von 33% zwischen diesem Tageshoch und dem Eröffnungskurs eine Woche nach der Meldung gegenüber.

Positiv war bei diesen Empfehlungen allerdings die Entwicklung der ausgewählten Aktien im gesamten Beobachtungszeitraum von zwei Wochen; denn in dieser Zeit stiegen ihre Kurse um immerhin 40%.

Möglicherweise hat man sich bei der Auswahl der Aktientipps mehr Mühe gegeben und auf bessere Kriterien geachtet als bei Sharedeals, auch wenn sich das nicht unbedingt für die User ausgezahlt hat, die den kostenlosen Tipps des cleveren Bloggers gefolgt sind.

Sammeln und limitiert verkaufen


Auch wenn die beiden kleinen Auswertungen kein abschließendes Urteil über die Qualität alle Empfehlungen erlauben, werfen sie die Frage auf, ob überhaupt Experten die Kurskapriolen bei den Insolvenzwerten, also den Zeitpunkt und den Kursverlauf mit seinen deutlichen Schwankungen, vorhersehen können.
Wenn man in dieser Hinsicht skeptisch ist, liegt die Wahl einer anderen Strategie nahe: man sammelt die Insolvenzaktien zu sehr niedrigen Kursen ein und wartet dann auf einen immer mögliche Kursausbruch, den es dann beherzt zu nutzen gilt.

Um diese Strategie zu präzisieren, müssen vor allem zwei Antworten gesucht werden, die für die Rendite entscheidend sind.


Kurskapriolen einiger Insolvenzwerte (1.9.2010- 29.6.2011)

Aktie
Kaufkurs am 1.9.2010 in €
Gipfelkurs
in €
Datum
Gewinn
in %
Arcandor
0,221
0,30
03.09.2010
35
Arquana
0,028
1,58
11.11.2010
5542
Böwe
0,893
0,90
02.09.2010
0
Cargolifter
0,045
0,16
30.11.2011
255
CBB
0,016
0,062
19.10.2010
287
Comtrade
0,025
0,15
02.02.2011
500
Condomi
0,058
0,059
02.09.2010
1
DLO
0,03
 0,21
11.01.2011
600
Goldzack
0,056
0,14
06.04.2011
150
Ision
1,16
2,50
30.09.2010
115
Kampa
0,123
0,30
20.10.2010
143
Maier + Partner
0,42
5,48
03.08.2011
1204
Meta@box
0,019
0,05
14.12.2010
163
PrimaCom
0,206
2,68
06.01.2011
1200
Realtos
0,142
0,75
17.012011
428
Stolberger Tele 
0,055
0,24
14.12.2010
336
TV-Loonland
0,028
0,12
07.01.2011
328
Walter-Bau
0,014
0,09
21.10.2010
542
Wanderer
0,101
0,25
25.10.2010
147
WCM
0,146
0,27
2.11.2010
84

Wenn man diese Liste durchgeht, lassen sich einige Beobachtungen machen, die bei der Entwicklung einer Strategie berücksichtigt werden müssen. So ist es bemerkenswert, dass bei den Aktien mit den größten punktuellen Wertsteigerungen (Arquana, Comtrade, DLO, Maier, PrimaCom, und Walter) nur einem Fall eine Aufhebung der Insolvenz erfolgte. Erheblich häufiger fand bei diesen Aktien hingegen inzwischen ein Delisting statt. Die Kursexplosionen bei den Insolvenzaktien sind also nicht das Resultat von realen Wertsteigerungen.

Auffällig ist außerdem, dass von den drei Aktien, die nur eine maximale Steigerung von weniger als 70% erfuhren (Arcandor, Böwe, und Condomi), das Insolvenzverfahren erst relativ kurze Zeit lief und der Kurs noch bei 0,20 € und mehr notierte.

Das legt nahe, dass man beim Einstieg erst warten muss, bis die Enttäuschten den Insolvenzwert verlassen haben, der dann bei 0,05 € oder noch niedriger notiert. Wegen der absolut geringen Kurse liegt der spätere gewinn in ganz besonderer Weise im Einkauf, denn Unterschiede von nur 1 Cent je Aktie habe später deutliche relative Effekte. Investoren, die sich sonst mit anderen Aktien beschäftigen, müssen also lernen, auf den Cent und seine deutlichen relativen Hebelwirkungen in der Zukunft zu achten.


An den Daten des Beispiels lassen sich die Effekte unterschiedlicher Limitvorgaben bestimmen. In dem betrachteten Zeitraum wäre ein Limit von sogar 500 %-Gewinn optimal gewesen, da sich in diesem Fall die eingesetzten 100.000 € innerhalb von nicht einmal zwei Jahren auf 211.415 € mehr als verdoppelt hätten, wenn man einmal von den Transaktionskosten absieht.

Verkaufslimit und potenzieller Kursgewinn (1.9.2010- 29.6.2011)


Limitvorgabe
Aus 100.000 € wären geworden..
70 %
145.330 €
100 %
164.460 €
250 %
202.660 €
400 %
193.387 €
500 %
211.415 €
600 %
180.344 €


Merkmale der insolventen Gesellschaft und potenzielle Depotentwicklung 
bei 50.000 € Anfangskapital (1.9.2010- 30.6.2011)


Selektionskriterium
70%-
Steigerung
250%-
Steigerung
500%-
Steigerung
Kurs unter 0,55 €
85.000
158.300
159.000
Kurs über 0,55 €
60.300
44.400
52.400
Stückzahl unter  12 Mio.
68.300
108.000
137.600
Stückzahl über 12 Mio.
77.000
94.700
73.800
Marktkapitalisierung unter 400.000 €
76.500
124.900
140.100
Marktkapitalisierung über 400.000 €
68.800
77.700
71.300
Insolvenz vor 2007
85.000
111.700
84.900
Insolvenz ab 2007
60.300
91.000
126.500

Betrachtet man die Auswirkungen verschiedener Selektionskriterien, sprechen die Insolvenzaktien, die zufällig als Beispiele genommen wurde, sehr deutlich für die Wahl der Aktien insolventer Gesellschaften, die niedrige Kurse und nur relativ wenige Aktien ausgegeben habe, also eine niedrige Marktkapitalisierung besitzen. Die Dauer der Insolvenz ist hingegen von geringerer Bedeutung, es ist vor allem der erreichte Kursverfall, der von Bedeutung ist.

Der Börsentod als ständige Renditebedrohung

Auch wenn es wegen der langen Bearbeitungsdauer von Gerichten und Insolvenzverwaltern vielleicht übersehen oder verdrängt wird, hat mit der Eröffnung des Insolvenzverfahren ein Sterbeprozess für das betroffene Unternehmen begonnen. Am Ende steht dann der Tod, der bei einer AG ihre Auflösung und Löschung aus dem Handelsregister sowie für ihre Aktie die Einstellung des Börsenhandels bedeutet. Damit verlieren die Aktien dann auch praktisch ihren Wert; denn eine Weiterführung des Handels im außerbörslichen Handel ist meist nur vor kurzer Dauer.

Für Anleger ist das Datum des Delistings daher sehr relevant, da er anschließend seine Aktien des betroffenen Insolvenzwertes auf 0 abschreiben muss. Dieser Sprung von zuvor vielleicht 0,01 € auf 0,00 € sollte daher nach Möglichkeit vermeiden werden.

Die Gefahr des Delistings, das über allen Insolvenzaktien schwebt, muss nicht zwangsläufig als ein Risiko gesehen werden, das einen Kauf dieser Aktien von vornherein verhindert. Allerdings muss man sich absichern, indem man angekündigte Delsitings im Auge hat und dieses Risiko durch eine Streuung der Insolvenzwerte absichert.Bei den Aktien, die in einem geregelten Markt notieren, sieht das Börsengesetz eine längere Frist zwischen der Ankündigung und dem Vollzug des Delistings vor. So ist nach §39 Börsengesetz einen Widerruf der Zulassung zum Börsenhandel „unverzüglich im Internet zu veröffentlichen“, wobei „Der Zeitraum zwischen der Veröffentlichung und der Wirksamkeit des Widerrufs darf zwei Jahre nicht überschreiten“ darf.

Üblich ist so, dass die Zulassung der Aktien auf Antrag des Insolvenzverwalters einer gemäß § 39 Abs. 2 BörsG i.V.m. § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 61 Abs. 2 Satz 3 BörsO widerrufen wird. Dieser Widerruf wird dann mit Ablauf eines Zeitraums von einem halben Jahr wirksam. Das gilt für die Börse Frankfurt.

Anders sieht es im Freiverkehr und den deutschen Nebenbörsen aus, wo die Notierung bereits am Tag nach der entsprechenden Ankündigung eingestellt werden kann. Falls eine Aktie daher nur im Freiverkehr gehandelt wird, muss man auf entsprechende Vorzeichen für das Delisting achten. So wurde etwa durch das Amtsgericht Osnabrück die Löschung von Sunburst Merchandising bereits am 17.8. 2011 für den 23.8. 2011 angekündigt.



Diese Löschung einer AG, „die kein Vermögen besitzt, kann von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werden. Sie ist von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt.“ (§ 394 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)) Gegen sie kann innerhalb einer Frist von in der Regel einem Monat ab der Veröffentlichung Widerspruch eingelegt werden.Die Einstellung der Notierung von Aktien einer nicht mehr existenten Firma ist dann eine logische Folge, für die allerdings in diesem Fall noch mehr als ein halbes Jahr ins Land zog. Dieser Handel mit den Aktien toter Gesellschaften ist dabei keine Seltenheit; denn auch mit diesen Untoten lassen sich schließlich noch Umsätze erzielen und das Eigentum der Anleger schützen, wie es den Börsen aufgetragen ist.

Delisting-Ankündigung und Kursreaktion

Aktie
Ankündigungstag
Börse
Delisting im geregelten Markt in F
Woche vor Ankündigung (Eröffnung)
Eröffnungskurs am Ankündigungstag

Kurs am Folgetag
Arquana
09.06.2011
F_regul.
09.12.2011
0,13
0,16
0,14
CBB
10.02.2012

13.02.2012
0,01
0,02
-
Comtrade
20.06.2011
F_regul.
14.12.2011
0,07
0,06
0,06
Sunburst
03.05.2012
F
03.05.2012
0,02
0,02
-

Diese Strategie verlangt also sehr viel Aufmerksamkeit.

Quellen:
Morrien, Rolf, Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht vor der große Abzocke, in: Newsletter vom 7.9.2010.
Tichy, Roland, Gontard & Metallbank. Neues Leben für die Bank der Untoten, in: Handelsblatt vom 20.01.2006.