Kurssternschnuppen bei Pennystocks
Chancen einer Strategie für Mantelaktien
Reiz und Risiko von Pennystocks
Anleger lieben Kurssteigerungen. Richtige Aufmerksamkeit
erreichen jedoch Kurssprünge und
wirklich mitreißend, ja unwiderstehlich verführerisch sind für
Börsenzocker Verdoppelungen oder noch höhere Vervielfachungen der
Einstiegskurse. Derartige traumhafte Chancen findet man zwar nur ganz ,ganz
selten, aber sie können zum später gern erzählten Börsenlatein der beteiligten
Akteure werden.
Immerhin wird über derartige Ereignisse auch in der
Wirtschaftspresse berichtet, wenn auch mit einem warnenden Unterton. Zwar
fehlen dabei keine Warnungen vor einem hohen Risiko, aber auch die erzielbaren Renditen werden gleichzeitig sogar als Überschriften gewählt. So brachte das
Anlegermagazin Börse Online gleich zwei Artikel über Tria IT mit den Titeln
„567 Prozent Kursplus in vier Tagen“ und „Der 75.900-Prozent-Wahnsinn“.
Aber dann kann man wieder einmal erkennen, nur der Mutige
kann an der Börse Erfolg haben, und Börsengewinne müssen durch schlaflose
Nächte erkauft werden. Wie sagte doch der Grandseigneur André Kostolany: „An der Börse gibt's nur Schmerzensgeld.
Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld!“ Und in einem weiteren
Aphorismus stellte er heraus, dass man schon etwas mehr braucht als eine
masochistische Leidensfähigkeit: „Wenn die Börsenspekulation leicht wäre, gäbe es keine
Bergarbeiter, Holzfäller und andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant.“
Insolvenz- und
Mantelaktien
Unter den Pennystocks, bei denen sich diese Kurswunder
fast ausschließlich ereignen, lassen sich mehrere Klassen unterscheiden. So
werden einige Werte bereits von Anfang an mit niedrigen Kursen gelistet, wobei
man deswegen die Gesellschaften außerhalb Deutschlands gründet, da hierzulande
eine Aktie nach dem Aktiengesetz mindestens einen Wert von 1 € des
Grundkapitals repräsentieren muss. Das ist jedoch in den Niederlanden und der
Schweiz nicht der Fall. Die Gründer dieser Gesellschaften beginnen also
sogleich mit einem Pennystock-Spiel, was ihre Seriosität gegenüber ihren Aktionären
nicht gerade in ein optimales Licht rückt.
Neben diesen geborenen Pennystocks hat in anderen Fällen ein fehlender wirtschaftliche Erfolg zu Insolvenzen von Unternehmens
geführt, sodass deren Aktien nur noch Beteiligungen an der Insolvenzmasse
repräsentieren. Dabei bleibt für die Aktionäre dieser Insolvenzwerte als
Eigentümer und damit als nachrangige Gläubiger im Sinne
des § 39 Insolvenzordnung, die erst Anspruch auf Zahlungen haben, wenn die
Forderungen aller Gläubiger zu 100 % befriedigt sind.
Jedoch nicht immer, denn manchmal lässt sich zumindest die
Börsennotierung ohne Belastungen durch die Forderungen anderer Gläubiger
retten. Da das operative Geschäft vorher zumeist abgetrennt und verkauft wurde,
bleibt so ein sogenannter Aktienmantel übrig, der wieder mit einem neuen
operativen Geschäft gefüllt werden kann. In diesem Fall spricht man dann von
einem Cold-IPO, bei dem sich im Vergleich zu einem üblichen Börsengang oder IPO
(Initial Public Offering) Kosten und Zeit sparen lassen.
Diese Mantelgesellschaften, die aus der Börsennotierung,
einer Verwaltung mit Vorstand und Aufsichtsrat sowie einer mehr oder weniger
gehaltvollen Bilanz bestehen, warten dann auf einen Interessenten, der sie für
die Einbringung neuer Aktivitäten nutzen will.
Falls IPOs relativ aufwendig sind, können derartige
Vorratsgesellschaften so beliebt sein, dass sie von Spezialisten wie Advantec,
Carthago Capital, CFO und XIAG SPAC Invest, sogar ganz ohne eine Vorgeschichte
retortenmäßig gegründet werden. Man spricht dann von synthetischen
Mantelgesellschaften.
Während bei den geborenen
Pennystocks möglicherweise ein wenig greifbares operatives Geschäft vorliegen
kann, ist das bei den Insolvenz- sowie den klassischen und synthetischen
Mantelwerten praktisch nicht der Fall. Man hat es hier mit leeren Hüllen zu tun,
und dennoch ereignen sich bei ihnen erstaunliche Kurswunder.
Da stellt sich zwangsläufig die
Frage, ob smarte Börsianer tatsächlich von den Kurssprüngen bei diesen relativ
wertlosen Aktien von Unternehmen profitieren können, die gar kein operatives
Geschäft aufweisen.
Amerikanische Verhältnisse
In den USA ist man dieser Frage in einer umfangreichen
empirischen Analyse nachgegangen. Ioannis Floros und Travis Sapp von der Iowa State
University in Ames haben dort im Juni 2010 ein Arbeitspapier mit dem Titel
„Shell Games: On the Value of Shell Companies” veröffentlicht. Darin wird die
Kursentwicklung von 585 in den USA gehandelten Mantelgesellschaften untersucht
und im Rahmen des Handlungskalküls eines rationalen Investors interpretiert.
Dabei stellten sie fest, dass die
Kurse dieser Gesellschaften tendenziell fallen, wobei sie sich sogar innerhalb
von acht Monaten halbieren. Ein kräftiger Anstieg, der im Durchschnitt etwa
drei Monate andauert und insgesamt stolze 48,1 % beträgt, tritt jedoch ein,
wenn ein neues Geschäft in den Mantel eingebracht und eine entsprechende
Nachricht publiziert wird. Dieser Fall war in den USA relativ häufig, da er
innerhalb eines Jahres bei der Hälfte aller betrachteten Mantelgesellschaften
eintrat.
Diese
kurzfristige Überrendite lag damit über der normaler IPOs und entschädigte
damit nach der Interpretation der beiden Autoren die Investoren für die
vorangehenden Kursverluste und das Risiko, sich an einem möglicherweise unattraktiven
Mantel beteiligt zu haben.
Dem dreimonatigen Kursfeuerwerk
folgte anschließend ein extremer Kursverfall, der über 90 % betrug.
Bei dieser
volatilen Kursstruktur brauchten die Anleger also gute Nerven und ein
glückliches und vor allem schnelles Händchen beim Ein- und Ausstieg. Wichtig
ist es daher vor allem, Mantelgesellschaften auszuwählen, für die eine hohe
Wahrscheinlicht besteht, dass ein reales Geschäft in das leere Rechtskleid
eingebracht wird, da ansonsten die Mantelgesellschaften für ihre bloße Existenz
nur Geld verbrennen. So brachte eine längerfristige Beteiligung an einem
Portfolio aus Mantelgesellschaften im Durchschnitt Verluste.
Ein Investor steht daher nach dieser Untersuchung
nur auf der Gewinnerseite, wenn ein Geschäft innerhalb von fünf Monaten nach
dem Kauf der Aktie eingebracht wird. Dabei stellten sich vor allem die
Illiquidität der Gesellschaften und die Unsicherheit über die tatsächliche
Einbringung eines Geschäfts als besondere Probleme heraus.
Langer Schlaf und kurze Explosion oder Tod
Ein Blick auf die Charts deutscher Aktien dieser drei
Klassen von Pennystocks kann diese Problematik veranschaulichen. Im Chart der
Tria IT zeigt sich, wie der Kurs aus einem langen Schlaf plötzlich zu erwachen
scheint, eine wahre Explosion erfährt und dann rasch wieder deutlich
zurückfällt.
Dieser Absturz kann im Extremfall wie bei Sunburst
Merchandising im Delisting von der Börse enden, nachdem die Gesellschaft zuvor
vom Registergericht gelöscht wurde. Das bedeutet dann praktisch den
Totalverlust des Investments.
Insolvenzaktien
Zuvor hatten diese Aktien häufig ein sehr intensives Kursleben, aber mit dem Insolvenzantrag wird eine Entwicklung endgültig besiegelt, die zuvor meist schon längere Zeit vermutet wurde. Ein Beispiel ist der Kursverlauf der Aktie von Solar Millennium, einer Gesellschaft, die solarthermische Projekte in Angriff genommen hat und am 21. Dezember 2011 einen Insolvenzantrag gestellt hat.
Kursentwicklung von Solar Millennium während der Insolvenz
Datum
|
Schlusskurs
|
Volumen
|
20.12.2011
|
1,10 €
|
17.600
|
21.12.2011
|
0,40 €
|
381.800
|
22.12.2011
|
0,36 €
|
416.800
|
4.04.2012
|
0,09 €
|
101.300
|
Synthetische Mantelaktien
Erheblich ruhiger bewegen sich die Kurse von Vorrats- oder
synthetischen Mantelgesellschaften, da sich an ihrem Geschäftsmodell nichts
ändert, bevor sich ein Käufer findet. Vorher wird nur Kapital für den laufenden
Geschäftsbetrieb (Kosten für die Börsennotierung, Wirtschaftsprüfer, Verwaltung
etc.) benötigt, wodurch allmählich das Eigenkapital abschmilzt. Impulse können
von Kaufgerüchten ausgehen.
Die im Chart als Beispiel herangezogene Mandarin Capital
weist so bei einem Eigenkapital von 200.000 € einen jährlichen Bilanzverlust
von ca. 4.000 € aus.
Klassische Mantelaktien
Die Kurse klassischer Mantelaktien, die die Insolvenzphase
mit ihrem Kurseinbruch bereits hinter sich haben, segeln ebenfalls lange Zeit
in einem ruhigeren Fahrwasser, wie beispielsweise die NAK.
Das ändert sich jedoch abrupt, wenn ein operatives Geschäft in den Mantel eingebracht wird, wie dies bei der Duebag auf der Hauptversammlung am 24. Juni 2011 erfolgte, als die Aktionäre die Umfirmierung in getgoods.de AG und eine Sachkapitalerhöhung beschlossen, durch die 100% der HTM GmbH Handy-Trends + More in die umfirmierte Gesellschaft eingebracht wurden.
Der Durchschnitt: Verlierer und Gewinner
Auch das Kursleben von Gesellschaften ohne operatives
Geschäft bietet somit zahlreiche Facetten, bei denen sowohl deutliche Gewinne
und Verluste auftreten. Wenn man nach den Renditechancen von Investitionen in
diese Anlageklassen fragt, muss man daher nach durchschnittlichen Entwicklungen
suchen.
In einer kleinen Untersuchung wurden daher für den
Zeitraum zwischen dem 1.9.2010 und dem 30.6.2012, also für 22 Monate Depots aus
jeweils 20 Insolvenz- sowie klassischen und synthetischen Mantelwerten
gebildet.
Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Durchschnittliche Depotentwicklung in zwei Jahren (1)
Kursentwicklung
|
Insolvenzaktien
|
Synthetische Mantelwerte
|
Klassische Mantelwerte
|
Durchschnittliche
Kursentwicklung
|
+138,5
%
|
-36,6
%
|
+761,6
%
|
Totalverluste in %
|
20
|
0
|
5
|
Verliereraktien insgesamt in%
|
80
|
70
|
60
|
Gewinneraktien insgesamt in %
|
20
|
30
|
40
|
Vervielfacheraktien in %
|
10
|
0
|
30
|
In drei Mantelgesellschaften wurde in diesem Zeitraum ein
neues operatives Geschäft eingebracht, wobei auch jeweils eine Umfirmierung
erfolgte. Es sind dies: die Eyemaxx Real Estate (ehemals Amictus), getgoods.de
(ehemals DUBAG) und Mox Deals (ehemals Mediasource).
Eine ganz
besondere Karriere weist in diesem Zeitraum die Aktie von Maier + Partner auf,
die ebenfalls für ein neues operatives Geschäft fit gemacht wurde.
Auch ohne die beiden Extremfälle, also den Totalverlust
bei Sunburn und die fast einmalige Kursexplosion bei getgoods betrug die
durchschnittliche Entwicklung der achtzehn restlichen Aktien noch 29,2 %.
In dieser Zeit stieg der SDAX als Vergleichindikator von 4.113,62 auf 4.815,79, also um 17,1 %.
Danach erscheinen die
klassichen Mantelwerte als eine von ihrer Renditenetwicklung her sehr
interessante Anlageklasse, und das sogar wenn man sie nur nach einem
Buy-and-hold-Prinzip auswählt und anschließend verwaltet.
(Fortsetzung folgt!)
(1) Die Depots bestanden aus folgenden Aktien, die nach einer
Diskussion im Forum von amiculum.de ausgewählt wurden:
a) Klassische
Mantelwerte: a.i.s.,
Amictus, Arndt, BHE, DÜBAG, F.A.M.E., Fr. Nols, German Brokers, Mediasource, NAK Stoffe, Omiris, Pinguin,
Pittler, Porta Systems, Q-Soft, Questos, S&R Biogas,
Softmatic, SPAG und Sunburst
b)Synthetische Mantelwerte:
Aquamondi, Areus International, Artamia, Artemis Global Capital, Babylon
Capital, Braivestor, Con Value, Equipotential, Horizont, Mandarin, n2 Nanotech, Nano Strategy, Ocagon Energy,
Protektus, Q2M, Schraad Metallbau, Tacitus, Tauris Bet., Valara Capital und Xerius
c) Insolvenzwerte: Arcandor, Arquana, Böwe,
Cargolifter, CBB, Comtrade, Condomi, DLO, Gold-Zack, ISION Internet, Kampa, Maier + Partner, Met(a)box, Pfaff, Realtos, Stolberger Telecom,
TV-Loonland, Walter Bau, Wanderer und WCM
Quellen:
Floros, Ioannis V. und Sapp, Travis, Shell Games: On the Value of Shell Companies, in: Journal of Corporate Finance, 2011, S. 850-886.
Kruse, Gereon, Tria IT-Solutions. 567 Prozent Kursplus in vier Tagen, Börse online vom
7.9.10.
Ders., Tria IT-Solutions Der
75.900-Prozent-Wahnsinn, Börse online vom 28.09.10.
Morrien, Rolf, Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht
vor der große Abzocke, Newsletter vom 7.9.2010.
NN, Die tödliche Kunst der Aktienmanipulation