Montag, 8. April 2013

Anlegertypen


Welche Strategie passt zu mir?




 Die Anatomie der realen Anlegerpsyche

Der Siegeszug der Behavioral Finance hat den Anleger in der Finanzwissenschaft wieder von einem emotionslosen Computer zu einem Menschen gemacht, der anders als das Modell des Homo oeconomicus auch irrational handeln darf.  

Damit folgt die Theorie wie auch in zahlreichen anderen Bereichen der realen Situation. Das gilt vor allem für die USA, wo bereits seit langer Zeit Investmentfonds arbeiten, die die Kundengelder nach unterschiedlichen Stilen ganz nach den Wünschen ihrer Investoren anlegen. So findet man sowohl Fonds für Wachstums- bzw. Growth- oder Valuewerte als auch Fonds mit marktbreiten Aktien oder geringer kapitalisierten Small Caps.
Offensichtlich haben also die Anleger abweichende Präferenzen, da sie die Auswahl des Portfolios nicht ganz den Finanzmanagern überlassen. Ein Grund kann ihre unterschiedliche Risikobereitschaft sein, denn kleine Wachstumswerte, wie sie einmal am Neuen Markt gehandelt wurden, gelten als besonders risikoreich. Bei diesem Persönlichkeitsmerkmal besteht damit ein unmittelbarer Bezug zum Faktor Extraversion und speziell der Facette Erlebnishunger im Big5-Modell.
Eine zweite Dimension, in der Anleger sich in ihrem Anlageverhalten unterscheiden, ist der Faktor Gewissenhaftigkeit, der u.a. die Facetten Kompetenz, Leistungsstreben, Selbstdisziplin und Besonnenheit einschließt.
Betrachtet man jeweils zwei Ausprägungen von Risikobereitschaft und Gewissenhaftigkeit, kommt man zu Anlagestrategien, die der Persönlichkeit der Anleger mit den jeweiligen Kombinationen optimal entsprechen.
  
          Anlegertypen und Börsenstrategien
Persönlichkeits-
merkmale
Niedrige Risiko-bereitschaft
Hohe Risiko-bereitschaft

Niedrige Gewissen-haftigkeit

Dogs-Strategie
Strategie
Hohe Gewissenhaftigkeit
Strategie

Zusätzlich wird noch eine gemischte ValueMomentum-Strategie vorgestellt.
Nur kann man sich als Anleger mit dieser Situation keineswegs zufrieden geben. Vielmehr muss die Frage beantwortet werden, ob die Anlagestrategien nicht unterschiedlich hohe Renditen erzielen. Das würde allerdings Disziplin und ein Investmentverhalten verlangen, das von einigen Anlegern möglicherweise den Sprung über ihren eigenen Schatten verlangt
Um die praktischen Probleme einer systematischen Anlagestrategie zu testen, wurden Depots gebildet, deren Wertentwicklung hier beobachtet werden soll. Daraus lassen sich selbstverständlich keine Anlageempfehlungen ableiten. Aber man kann auf diese Weise praktische Einblicke in die theoretisch häufig so überzeugend klingenden Konzepte gewinnen. Und ein bisschen spannend sollte der Wettkampf auch sein...

Inzwischen kann man auf das Testjahr 2012 mit seinen Ergebnissen zurückblicken und den aktuellen Stand für 2013 verfolgen.

Anomalien_4

Kalender- oder saisonale Effekte 

Nicht jeder Tag ist ein gleich guter Kauftag

Wie schon ein Blick auf die bisherigen Anomalien gezeigt hat, wirken sich die gefundenen Abweichungen von einer Zufallsverteilung, wie sie bei einer uneingeschränkten Gültigkeit der Markteffizienzhypothese zu erwarten wären, nicht an jedem Tag des Jahres gleich aus. Die Unterschiede sind auch nicht kurzlebige Kurskapriolen, sondern vielmehr lassen sich deutliche Muster finden, die zumindest weitgehend durch Thesen der Behavioral Finance oder andere typische wirtschaftliche Unterschiede im Verlauf eines Kalenderjahres erklärt werden können. Es dürfte sich also nicht um bloße statistische Artefakte handeln, die sich bei fast unendlich vielen Auswertungen des umfangreichen weltweiten Datenmaterials über Aktienkurse und Unternehmensdaten fast zwangläufig wie schwarze Schwäne finden lassen.


Januareffekt (January Effect bzw. Turn-of-the-Year-Effect)

Der "unglaubliche Januar-Effekt", wie Haugen/ Lakonishok ihre Untersuchung über die bemerkenswerten Kursschwankungen am Jahreswechsel betiteln, gilt sogar als das "am besten bekannte Beispiel eines anomalen Verhaltens der Wertpapiermärkte auf der ganzen Welt". Der Tatbestand lässt sich einfach beschreiben: im Januar steigen die Aktienkurse überdurchschnittlich stark, und zwar vor allem die von Firmen mit einem niedrigen Marktwert, sodass man auch von einem "Small-firm-in-January"-Effekt spricht. 
Dabei konzentriert sich dieser Effekt sehr stark auf den unmittelbaren Jahresanfang, denn die Hälfte der Gewinne entsteht bereits in den ersten fünf Handelstagen. Eine knappe Woche des Jahres verdient somit besondere Aufmerksamkeit, sollen nicht die besten Gelegenheiten innerhalb von 365 Tagen ungenutzt verstreichen. 

Diese Merkwürdigkeiten der Aktienkurse, die die moderne Finanztheorie mit harten empirischen Fakten konfrontieren und in Frage stellen, wurden nach und nach in dem Dickicht der Kursdaten entdeckt. Es begann 1976, als sich in einer ersten Untersuchung (Roseff/Kiney) der Januar im monatlichen Vergleich als besonders renditeträchtig herausstellte. Danach wurde dann diese Globalaussage näher differenziert:

- Der größte Teil der Überrendite trat bereits in den ersten zwei Wochen auf   (Keim (1983)).

- Vor allem kleine Werte schnitten im Januar besonders gut ab (Reinganum (1983)).

- Der Effekt trat in praktisch allen Aktienmärkten der Erde auf (Gulteken/Gulteken (1983)).

- Eine außergewöhnliche Zusatzrendite erzielten die Aktien von Gesellschaften, die 

- keine Dividende zahlten (Keim 1985) bzw. 

- in der Vergangenheit eine schlechte Performance hatten (De Bondt/ Thaler (1985)). 

Aufgrund dieser Daten wurde der Januar nicht nur als besonders renditeträchtig gerühmt, sondern sogar als typischer Zeitpunkt von Weichenstellungen apostrophiert, wenn einige Finanzmarktmarktforscher feststellen, dass alle Umkehrprozesse auf dem Aktienmarkt im Januar erfolgen (DeBondt/Thaler), sich also wie einst bei den römischen Saturnalien die soziale Welt auf den Kopf gestellt wird und in diesem Fall aus Verlierern Sieger bzw. aus ehemaligen High Flyern lahme Enten werden. 

Halloween- oder Winter-Effekt (Halloween effect/ indicator)


"Sell in May and go away" lautet eine klassische Börsenweisheit, die mit der Maxime "but remember come back in September" bzw. "but buy back on St. Leger Day" ergänzt wird. Dabei bezieht sich die Terminierung des Wiedereinstieg auf ein traditionelles Pferderennen im englischen Doncaster, das jährlich Mitte September stattfindet. 

Empirische Untersuchungen der Aktienkursverläufe während der einzelnen Monate haben diese Daumenregel nur teilweise als richtig und erfolgversprechend nachgewiesen, denn der September ist aufgrund einer unterdurchschnittlichen, um nicht zu sagen miserablen Durchschnittsperformance eher ein Monat zum Aus- als zum Einstieg. Die empfohlene Sommerpause ist hingegen für den an historischen Renditemustern orientierten Anleger nicht ohne Reiz. 

Für die 32 Jahre von 1970 bis 2001 betrachteten Keppler und Xue den MSCI-Weltindex sowie 18 seiner nationalen Teilindices. Dabei lassen sich die Monate recht einfach in zwei Kategorien teilen, in die „guten“ (von November bis April) und die „schlechten“ (von Mai bis Oktober). Während die Kurse in der „guten“ Aktiensaison immerhin durchschnittlich um mehr als 8% jährlich stiegen, kam es in der übrigen Zeit zu leichten Verlusten. Wäre man daher nur zwischen November und April investiert gewesen, hätte sich in dem Untersuchungszeitraum das eingesetzte Kapital mehr als verzehnfacht. Hingegen wäre es in dem restlichen Zeitraum um 21% geschrumpft.


Monatswechseleffekt (turn of the month (TOM))


Anfang der 1980er Jahre untersuchte Ariel den empirischen Wert einer älteren Börsenregel: „Erledige geplante Käufe vor dem Monatsersten und verschiebe geplante Verkäufe auf die zweite Monatshälfte.“ So teilte er für den Zeitraum 1963-1981 die Handelstage in zwei gleichgroße Gruppen, wobei er – sicherlich nicht logisch, aber durchaus mit intuitivem Gespür – den letzten Handelstag eines Monats mit den ersten 9 des anschließenden zur ersten Monatshälfte rechnete. Seine Rechnungen ergaben einen frappierenden Unterschied für den betrachteten Zeitraum von knapp 20 Jahren: ein Investor, der nur in der ersten Monatshälfte – so wie sie Ariel definiert hat – investiert gewesen wäre, hätte sein eingesetztes Kapital um 2552,4% vermehrt, während ein Investor, der nur auf die zweite Monatshälfte gesetzt hätte, bei –0,25% gelandet wäre. An der Börse konnte also nur in der ersten Monatshälfte Geld verdient werden, während es in der zweiten eher wieder verloren ging.

Als entscheidend für diese Ergebnisse und damit die Rechtfertigung einer speziell ausgewiesenen Halbmonatsanomalie erwies sich allerdings die Zuordnung des letzten Handelstag eines Monats mit seinen deutlichen Überrenditen.

In ihrer Analyse der monatlichen Kurschwankungen stellen Lakonishok/Smidt daher eine Anomalie von vier Tagen um den Monatswechsel heraus. In dieser Zeit vom Tag vor dem Monatsersten und den drei folgenden Handelstagen stiegen Kurse um insgesamt 0,47%, während sie es für einen gesamten Durchschnittmonat nur auf 0,35% brachten. Die Überrenditen an diesen vier Tagen des Monatswechsels (turn of the month (TOM)) konnten damit die insgesamt negativen Renditen der übrigen Handelstage so stark überkompensieren, dass unter dem Strich noch die schöne positive Risikoprämie für Aktien übrig blieb.


Wochenendeffekt  (weekend effect)

"Don't Sell stocks on Monday!" lautete 1987 der Titel eines Buches von Hirsch, mit dem auf die unterschiedlichen Durchschnittsrenditen an den Wochentagen aufmerksam machte. Auch in späteren Untersuchungen wurden die Effekte bestätigt, die das Wochenende für die durchschnittliche Kursentwicklung besitzt. Danach verabschieden sich die Börsen am Freitag mit überdurchschnittlichen Renditen, auf die dann am Montagmorgen negative Resultate folgen. Damit sind also Freitage für Verkäufer und Montage für Käufer relativ interessante Wochentage. 

Als Erklärung dienen Stimmungsfaktoren aufgrund der Freizeit, so zunächst die Freude auf das kommende Wochenende und danach die Rückkehr in das Arbeitsleben an einem „dull monday“.


Feiertagseffekt (Holiday effect)

Bekanntlich gibt es neben den ganz normalen Wochenenden auch weitere arbeitsfreie Tage, für die man entsprechende Effekt erwarten kann. Diese Aktienkursentwicklungen vor und nach Feiertagen haben Lakonishok/Smidt in den USA untersucht, die in ihrem 1988 veröffentlichten Aufsatz einen Feiertagseffekt beschreiben, der zwei- bis viermal so hoch wie der normale Wochenendeffekt liegt. Später wurde ähnliche Tendenzen auch auf weiteren Aktienmärkte gefunden. 

Weniger eindeutig waren die Kurstendenzen nach dem oder den Feiertagen; denn in ihrer klassischen Untersuchung fanden Lakonishok/Smidt bis 1952 keine besondere Kursentwicklungen, für die späteren Jahre jedoch einen signifikanten Post-Ferien-Effekt. Andere Forscher wiesen jedoch anomale Kurstendenzen nach, die dem Montagseffekt entsprechen.

Neuere Untersuchungen, die sich mit dem Feitagseffekt in nicht-christlich geprägten Ländern beschäftigen, entdeckten besonders ausgeprägte positive Kurstendenzen für religiöse Feiertage. Das gilt sowohl für Hindu-Festtage in Indien, das chinesische Neujahrsfest in Singapur und islamische Feiertage. (Dodd/ Gakhovich)

Als Erklärung für diese Effekte verweist die Behavioral Finance auf einen Zusammenhang zwischen menschlicher Freude und erhöhter Risikobereitschaft hin, indem die positive Stimmung, die mit großen Festen verbunden ist, zu positiven Zukunftserwartungen und damit einer vermuteten günstigen Kursentwicklung führt.

Auch in Deutschland trat zumindest während der letzten Jahre ein signifikanter
Feiertags-Effekt für DAX, MDAX und SDAX auf. Dabei ist sogar festzustellen, dass diese Anomalie nach ihrer Entdeckung und Publizierung im Jahr 1988 sogar noch deutlicher hervortritt, da der Effekt seit 1993 für alle drei Indizes statistisch nachgewiesen ist. (Salm/Siemkes) 

Wie auch andere Anomalien weist der Feiertagseffekt eine Besonderheit auf, denn er hängt nicht von der Marktkapitalisierung der beteiligten Unternehmen ab, er tritt also bei den Aktien niedrig kapitalisierter Unternehmen nicht verstärkt auf (Kim/Park).

Quellen:
Ariel, Robert A., A Monthly Effect in Stock Returns, 1987.
de Bondt, Werner F. M. und Thaler, Richard, Does the stock market overreact ?, in: Journal if Finance, 1985, S. 793-805.
Dodd, Olga und Gakhovich, Alex, The holiday effect in Central and Eastern European financial markets, in: Investment Management and Financial Innovations, 2011, 4, S. 29-35.
Gulteken, M. und Gulteken, B., Stock market seasonality: International evidence, in: Journal of Financial Economics, 1983, S.469-481. Haugen, Robert A. und Lakonishok, Josef, The Incredible January Effect: The Stock Market's Unsolved Mystery, 1987. 
Hirsch, Yale, "Don't Sell stocks on Monday!", 1987. 
Keppler, A. Michael und Xue, Xing Hong, The Seasonal Price Behavior of Global Equity Markets, in: Journal of Investing, 2003, S. 49-53.Keim, Donald B., Size-Related Anomalies and Stock Return Seasonality: Further Empirical Evidence, Journal of Economics, 1983, 12, S.13-32. 
Ders., Dividend yields and stock returns: Implications of abnormal January returns, in: Journal of Financial Economics, 1985, S. 473-489. 
Kim, Chan-Wung and Park, Jinwoo, Holiday Effects and Stock Returns: Further Evidence, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 1994, 1, S. 145-157. 
Lakonishok, Josef und Smidt, Seymour, Are Seasonal Anomalies Real? A Ninety-Year Perspective, in: Review of Financial Studies, 1988, S. 403-425. 
Reinganum Marc R., The anomalous stock market behaviour of small firms in January: Empirical tests for year-end tax effects, in: Journal of Financial Economics, 1983, S. 89-104. 
Rozeff, Michael S. und Kinney, William R., Capital market seasonality: The case of stock returns, in: Journal of Financial Economics, 1976, S. 379-402. 
Salm, Christian und Siemkes, JörgPersistenz von Kalenderanomalien am deutschen Aktienmarkt, in: Finanz Betrieb, 2009, S. 414-418.

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Anomalien_3



Anomalien ohne Risikointerpretation: weitere fundamentale und Kurseffekte


Unter der Vielzahl von Anomalien, die in der kritischen Diskussion von CAPM und EMH in empirischen Untersuchungen nicht erklärbare Renditeabweichungen ergeben haben, findet man nicht nur die Merkmale, die von Fama/French als weitere Risikofaktoren interpretiert worden sind. 



Gleichwohl unternehmen die Anhänger der Modernen Finanzwissenschaft zahlreiche Versuche, die den Bestand ihrer theoretischen Annahmen absichern sollen. So werden die empirischen Ergebnisse auf methodische Fehler oder überinterpretierte Zufälle zurückgeführt oder derartige Anomalien als weitere Beispiele für Risikofaktoren, die vom Markt durch entsprechende Überrenditen belohnt werden müssen. 

Das ist für eine Reihe weiterer Anomalien mehr oder weniger gut gelungen. Allerdings sind diese Effekte nicht nur wichtige Argumente in der Diskussion einer Erklärung der Aktienkursentwicklung. Sie haben auch eine praktische Bedeutung für Anleger, die mit ihrer Hilfe Überrenditen erzielen wollen.

Das gilt vor allem für Value- und Momentum-Indikatoren, die in breiter angelegten Investmentstrategien eingesetzt werden, die Über- und Unterbewertungen einzelner Aktien ausnutzen wollen.


Value- und Wachstumsindikatoren


Bereits bevor man in der universitären Finanzwissenschaft über die Effizienzmarkthypothese diskutierte, wurden in den USA Investmentfonds für Value- und Growth-Aktien angeboten, zwischen denen sich die Anleger entscheiden konnten. So entwickelten sich zwei konträre Investmentphilosophien oder –ideologien, die jeweils eine Reihe von Beispielen für ihre eigene Position ins Feld führen können. So hat es zu allen Zeiten die Aktien strahlender Überflieger gegeben, wie sie heute u.a. Apple, amazon und google darstellen, mit denen die frühen Anleger ein Vermögen verdienen konnten.



Diese Wachstumswerte haben damit als Glamourwerte einen besonders verführerischen Reiz, der zu aufklärerischen Versuchen durch statistische Auswertungen herausgeforderte hat. Dabei wurde untersucht, ob es sich lohnt, Aktien zu kaufen, deren Bilanzmerkmale vom Markt bereits sehr hoch bewertet werden. 

Übersicht: 
Bilanzmerkmale und Börsenbewertungen

 

Bilanzmerkmal
Indikator
Wertindikator (Bilanz-/Börsenmerkmal)
Buchwert je Aktie
Buchwert-Marktwert-Verhältnis
Buchwert/ (Kurs * Anzahl der Aktien)
Gewinn je Aktie
Kurs-Gewinn-Verhältnis
Gewinn je Aktie/ Kurs
Cashflow je Aktie
Kurs-Cashflow-Verhältnis
Cashflow je Aktie/ Kurs
Dividende je Aktie
Dividendenrendite
Dividende/ Kurs
Umsatz je Aktie
Kurs-Umsatz-Verhältnis
Umsatz/ Kurs

Neben dem Buch-/Marktwert-Verhältnis, das unter den Value-Indikatoren durch seine Verwendung im Fama-French-Modell geadelt wurde, werden vor allem vier weitere Value-Indikatoren als Renditenanomalien diskutiert. 


Das Kurs-Gewinn-Verhältnis bzw. der KGV-Effekt (Price-Earnings-Ratio (PER), P/E Ratio oder als Kehrwert E/P Ratio)


Ein wichtiger Bewertungsmaßstab für Aktien ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis, also der Quotient aus dem Kurs und dem Gewinn je Aktien (earnings per share (EpS)), wobei die letzte Zahl aus Geschäftsberichten für das abgelaufene Geschäftsjahr oder Analystenschätzungen für zukünftige Jahre übernommen wird. Aufgrund seiner Bedeutung für die Aktienanalyse wurde diese Kennziffer in einem FAZ-Artikel als „Mutter aller Bewertungszahlen“ herausgestellt.

Entsprechend ihrer Definition misst dieser Indikator den Preis, den man an der Börse für einen € Gewinn zahlen muss. Ist er hoch, also etwa in der Nähe von 20, hat ein Anleger schon seinen Obolus für die zukünftige Gewinnentwicklung zu entrichten, wenn er gleichzeitig auch Aktien mit einem KGV von unter 10 kaufen kann, die häufig sogar eine stabile Geschäftsentwicklung aufweisen, sodass mit stetigen Gewinnen zu rechnen ist.

Darin zeigt sich der große Unterschied, den die Börse zwischen sogenannten Growth- oder auch Glamour-Aktien auf einen und Value-Werten auf der anderen Seite macht.

Bei einem Renditevergleich fand Basu in einem bereits 1977 veröffentlichten Art8kel, dass in dem von ihm gewählten 14-jährigen Untersuchungszeitraum die vom KGV her „billigen“ Aktien eine deutlich bessere Rendite aufwiesen als die „teuren“, es also eine entsprechende KGV-Anomalie gibt. Diese ließ sich sogar gewinnbringend nutzen, da es nach einer Folgestudie von Reinganum etwa zwei Jahre dauert, bis dieser Effekt seine Bedeutung verliert.


Der Kurs-Cashflow-Effekt (cash flow price effect bzw. CF/P ratio )


Da der bilanziell ausgewiesene Gewinn buchhalterischen Gestaltungsmöglichkeiten unterliegt, die nicht zuletzt auf den Gewinnausweis ausgerichtet sind, wird als Ersatzindikator für den Bilanzgewinn oder eine andere bereinigte Gewinngröße häufig der Cashflow verwendet.

Der wesentlich Unterschied ist die fehlende Berücksichtigung der Abschreibungen, die vor allem bei kapitalintensiven Unternehmen ein größeres Gewicht besitzen, sodass sich allein aus diesem grund die Bewertungen nach dem Gewinn und dem Cashflow bereits unterscheiden. 

Da die Abschreibungen häufig durch die nationale Steuergesetzgebung beeinflusst sind, hat in internationalen Vergleichen eine Verwendung des Cashflows besonderes Vorteile.

Die Vorteile liegen somit in internationalen Vergleichen innerhalb derselben Branche, Nachteile hingegen eher in Analysen der AGs unterschiedlicher Branchen.

Als Anomalie hat das Cashflow-Kurs-Verhältnis durch eine Studie von Lakonishok/ Shleifer/ Vishny eine besondere Aufmerksamkeit erzielen können, da nach diesen Zahlen eine Strategie, die nach diesem Indikator Aktien ausgewählt, eine deutlich höhere Überrendite erzielt als ein Ansatz, der den ausgewiesenen Gewinn verwendet. Der Unterschied betrug immerhin etwa 11 Prozentpunkte pro Jahr.


Das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) (Price–sales ratio, P/S ratio, PSR bzw. S/P ratio )


Als Indikator für den Wert eines Unternehmens ist die Verwendung von Gewinn und Cashflow immer schwierig, wenn diese Größen innerhalb eines Konjunkturzyklus oder aus anderen Gründen stark schwanken.

Solche Firmen können, wenn man etwa an AGs aus der Stahlindustrie oder dem Werkzeugmaschinenbau denkt, im Konjunkturtal häufig gar keinen Gewinn ausweisen, während sie in Hochkonjunktur schnell wieder in erfreuliche Höhen katapultiert werden.

Bei solchen zeitlichen Gewinnmustern wird niemand ein zwischenzeitliches negatives KGV für einen optimalen Wertindikator halten. Man wird entweder einen Mittelwert über mehrere Jahre bilden wollen oder nach einem anderen Merkmal als Ersatz für den Gewinn bzw. Cashflow Ausschau halten.

Ein solcher Ersatzindikator ist der Umsatz und damit das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV), das vor allem in Turnaround-Situationen und bei jungen Unternehmen, die sich noch in der Phase der Anlaufverluste befinden, als sinnvolle Alternative zum KGV gesehen wird.
Dabei darf jedoch nie vergessen werden, dass der Wert eines Unternehmens zwangsläufig nicht von seinem Umsatz abhängt, sondern dieser nur in speziellen Situationen als Ersatz dienen kann. Wenn ein älteres Unternehmen also auch während der Hochkonjunktur kaum Gewinn aufweist, jedoch ein niedriges KUV, muss man damit noch nicht auf ein total unterbewertetes Unternehmen gestoßen sein. Es kann sich auch um einen Wertvernichter handeln, der nicht einmal dann Gewinne erzielen kann, wenn sich andere über rosige Zeiten freuen. Es ist also vor einem Engagement ein sehr sorgfältiger Blick auf die wahrscheinliche zukünftige Gewinnentwicklung nötig, die der Markt anscheinend „übersehen“ hat. 
Da die mit einem Umsatz verbundene Wertschöpfung branchenspezifisch ist, werden nach dem KUV Handelsunternehmen im weitesten Sinne relativ niedrig bewertet. Das gilt auch für Dienstleister wie Banken, Versicherungen, Personalvermittler und Touristikunternehmen. Das KUV eignet sich daher vor allem als Indikator innerhalb derselben Branche. 

Wenn daher in einigen Untersuchungen Unternehmen mit einem niedrigen KUV besonders hohe Renditen erwirtschaften, kann sich dahinter auch ein Brancheneffekt


Dividendenrendite-Effekt (Dividend yield effect)



Ein weiterer Indikator bei dem sich die Growth und Value-Werte unterscheiden ist die Dividende. So ist es die klassische Philosophie der Wachstumsunternehmen, dass sie keine Dividende zahlen wollen, da das Geld in ihrem Unternehmen besser arbeiten kann, wenn damit höhere Umsätze, eine bessere Marktdurchdringung und nicht zuletzt die weitere Forschung finanziert wird. Growth-Unternehmen schütten daher in der Regel gar keine oder eine ehe symbolische Dividende aus.

In der Statistik, die keine Begründungen und Motivationen erfasst, tauchen sie daher mit unprofitablen Unternehmen in derselben Klasse der AGs mit einer niedrigen Dividendenrendite auf.

Lemmon/ Nguyen haben die Auswirkungen von unterschiedlichen hohen Dividendenrenditen auf die Kursentwicklung am Beispiel Hongkong analysiert, da hier Dividenden und Kursgewinne nicht besteuert werden. Das sind zumindest für die Sezierung des Effektes ideal Bedingungen, da die Auswirkungen sonst durch unterschiedlich hohe Steuern auf realisierte Kursgewinne und ausgeschüttete Gewinne verzerrt werden, wobei die Steuersätze für die Anleger auch nicht gleich sind.


Dividendenrendite (in %) und Akteinkursrenditen (in %) in einem Land ohne Steuern (Hongkong) (1980-2005) 



Dividendenklasse
Monatsrendite
Jährliche Dividendenrendite
Keine Dividende
-0,24
0,0
Niedrigste Klasse
0,79
1,3
2
1,23
2,2
3
1,22
2,9
4
1,65
3,5
5
1,64
4,1
6
1,92
4,8
7
1,48
5,6
8
2,16
6,7
9
2,11
8,1
Höchste Klasse
1,65
10,9

Quelle: Lemmon/ Nguyen, Tab.1 

Wie die Ergebnistabelle zeigt, war es zumindest innerhalb des Untersuchungszeitraums vorteilhaft Aktien mit einer überdurchschnittlichen Dividendenrendite zu kaufen, auch wenn es nicht unbedingt die Spitzenreiter sein mussten. 


Value-Indikatoren im Vergleich



Da sich unter den Indikatoren zwar eine Reihe von Vor- und Nachteilen aufzeigen lässt und der die Grenzen ihres Geltungsbereichs eingrenzen lassen, kann man kaum einen einzigen optimalen oder auch nur den besten Indikator herausstellen.
Um diese Frage zu beantworten, gibt es inzwischen eine Reihe von Untersuchungen, die der empirischen Bedeutung der einzelnen Indikatoren für die Kursentwicklung nachgehen. Hierzu zählt eine Studie von Lakonishok/ Schleifer/ Vishny, die dabei die erheblichen Auswirkungen der Unternehmensgröße ausgeschaltet haben. 

Daher sind die in der folgenden Tabelle ausgewiesenen Renditen, die den Value-Indikatoren zugeschrieben werden, relativ gering.

Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass sich die drei Wissenschaftler mit längerfristigen Effekten beschäftigt haben. Daher sind nicht die Auswirkungen in einem einzelnen Testjahr, sondern in fünf Jahren nach der Formation des Portfolios berücksichtigt. 


Jährliche Renditen von Value- und Growth-Aktien, die nach dem Value-Merkmal .. ausgewählt und um den Größe-Effekt adjustiert wurden (1968-1991)


Merkmal
Value
Growth
Differenz
Buch-/Marktwert-Verhältnis
4,3
-3,6
7,9
Cashflow-Kurs-Verhältnis
5,7
-3,7
9,4
Gewinn-Kurs-Verhältnis
4,2
-2,4
6,4
Umsatz-Kurs-Verhätnis
3,3
-1,8
5,1
Dividendenrendite
1,8
-1,1
2,9

Quelle: Lakonishok/ Schleifer/ Vishny, Tab. I.

Wenn man den Größe-Effekt nicht ausklammert, können Investoren auf erheblich höhere Renditen hoffen; denn im Untersuchungszeitraum waren es bei kleinen Value-Aktien, die aus dem niedrigsten Dezil nach dem Cashflow-Merkmal gebildet wurden, immerhin 20,5 %. Das Dezil der Glamour-Aktien liegt immerhin noch bei 9,4 %. 

Davon weichen die Daten für den „schlechtesten“ Value-Indikator, der Dividende, recht deutlich ab; denn hier lagen die entsprechenden Werte bei 15,9 % für die Value- und fast gleiche 13,2% für die Glamour-Aktien.


Momentum-Effekt (momentum anomaly)



Neben der Größe- und dem Value-Effekt spielt es in der Investmentpraxis eine große Rolle, einem Trend zu folgen und daher auf Sieger-Aktien zu setzen oder – statistisch ausgedrückt – eine hohe Autokorrelation der Kursdaten zu erwarten. Für Carhart, der sich vor allem mit der Entstehung von Überrenditen bei Investmentfondmanagern beschäftigt hat, sollte man sogar das FF-Modell durch das Momentum als weitere Risikokomponente ergänzen.

Das sehen die Vertreter der Effizienzmarkthypothese naturgemäß anders, da für sie Aktienkurse kein Gedächtnis besitzen dürfen. Anders als es etwa die Chartanalyse unterstellt, lassen sich demnach aus Kursmustern der Vergangenheit keine Folgerungen für zukünftige Kursentwicklungen ableiten. Das gilt nicht zuletzt auch für statistische Zusammenhänge der Kurse zu verschiedenen Zeitpunkten. Mit anderen Worten dürfen daher beispielsweise die Kursentwicklungen für einen Zeitraum in der Vergangenheit keine überzufälligen Prognose für zukünftige Kurse gewinnen lassen.

Das ist eine leicht überprüfbare Behauptung, die noch dazu vielen Beobachtungen am Aktienmarkt zu widersprechen scheint, denn nicht gerade selten finden wir die großen Kursgewinner von gestern unter den Kursverlierern von heute.

Nachdem Frensh/ Roll 1988 eine geringe negative Korrelationen zwischen den täglichen Kursveränderungen und Lo/McKinley (1988) zwischen wöchentlichen Kursveränderungen „statistisch und ökonomisch nicht signifikante Korrelationen“ konstatiert hatten (Jegadeesh, S. 881) ging Jegadeesh gemeinsam mit Titman in breiter angelegten Studien diesen Autokorrelationen von Aktienkursen nachgegangen.

Diese beiden Wissenschaftler haben Handelsstrategien untersucht, die Formations- und Halteperioden von drei bis 12 Monaten betrachtet haben, um von der Renditeentwicklung her optimale Zeitpunkte zu finden, um die Momentumanomalie zu nutzen. (Jegadeesh/ Titman)

Dabei wurden die Aktien des Datensatzes des CRSP (Center for Research in Security Prices) für den Zeitraum 1965-1989 nach ihrer Rendite während der Intervalle von 3, 6, 9 und 12 Monaten geordnet und jeweils Zehntel (Dezile) mit den höchsten Renditen gekauft (Siegeraktien) und das Dezil mit den niedrigsten Renditen (Verliereraktien) verkauft.

Dabei zeigen sich für die Siegeraktien überdurchschnittliche Gewinne, auch wenn man keine Strategie mit Leerverkäufen fahren kann, sondern sich auf das Momentum der Gewinneraktien beschränken muss.

Leicht höhere Gewinne sind dabei möglich, wenn man zwischen dem Ende der Formationsperiode und dem Beginn der Halteperiode eine Karenzwoche einschiebt, da wöchentliche Kurse eine leicht negative Autokorrelation aufweisen. (Jegadeesh/ Titman, S. 70)


Durchschnittliche Monatsrenditen von Siegeraktien nach .. Monaten Formations- und .. Monaten Halteperiode in %


Formationsperiode
Halteperiode
3 Monate
Halteperiode 6 Monate
Halteperiode 9 Monate
Halteperiode 12 Monate
3 Monate
1,40
1,49
1,52
1,56
6 Monate
1,71
1,74
1,74
1,66
9 Monate
1,86
1,86
1,76
1,64
12 Monate
1,92
1,79
1,68
1,55

Quelle: Jegadeesh/ Titman, S. 70


Der Umkehr-Effekt (contrarian effect) oder das Come-Back der Verlierer



Zwar gilt der Trend als Freund des Anlegers, aber auch diese Regel hat ihren beschränkten Geltungsbereich; denn wie sich schon bei den täglichen Kursentwicklungen zeigt, folgen auf Kurssprünge üblicherweise Rücksetzer.

An der Börse gibt es nicht nur mit dem Momentum ein mittelfristiges Kursgedächtnis. Vielmehr verliert dieser Effekt im Laufe der Zeit, in der Regel nach ein bis zwei Jahren an Bedeutung, was ja auch nicht weiter überraschen kann, denn schließlich können die realen Prozesse des Wirtschaftslebens möglichen Kurshoffnungen nicht beliebig schnell folgen, sodass irgendwann die KGVs der Sieger so angestiegen sind, dass sie sogar die größten Optimisten für überteuert halten müssen.

Umgekehrtes gilt natürlich für die verschmähten Verlierer, deren Sonderangebotspreise an der Börse irgendwann nicht mehr zu weiteren Verkäufen frustrierter Altaktionäre führen. Dann folgt eine Regression, die auch die besonders üppig wachsenden Kursbäume darin hindert, beliebig in den Himmel zu wachsen und ihre Haftung an den realen Kursboden zu verlieren, aber auch fast totgesagten Unternehmen wieder eine Kursauferstehung bringen kann.

Auf diesen längerfristigen Umkehreffekt haben zuerst deBondt und Thaler aufmerksam gemacht, die den Verlauf von Aktienkursen 
der New Yorker Börsen von 1926 bis 1982 untersucht gaben. Jedes Jahr zum Jahresanfang bildete er Portfolios, die entweder die größte Kursgewinner oder die größten Kursverlierer der vorangegangenen zwei, drei und fünf Jahre enthielten. 

Das überraschende Ergebnis: Die Portfolios der Verlierer schnitten im Verlauf der folgenden drei Jahre 25 Prozent besser als der Index ab, während die Portfolios der Gewinner im gleichen Zeitraum 10 Prozent schlechter als der Index abschnitten. Noch überraschender war, dass der größte Teil der Gewinne jeweils im Januar anfiel (De Bondt/Thaler (1985). 

Auch dieser Umkehr-Effekt ist kein ausschließlich amerikanisches Börsenphänimen. So untersuchten Schiereck/ Weber (1995) u.a. Winner-Loser-Effekte mit fünfjähriger Formationsperiode auf Basis von 357 deutschen Aktien, die an der Frankfurter Wertpapierbörse amtlich notiert waren, im Zeitraum von 1961 bis 1991. Eine Contrarian-Strategie erbrachte dabei nach fünfjähriger Testperiode eine Rendite von 21,7%, die praktisch im gesamten Untersuchungszeitraum durch eine kumulierte Überrendite der Verliereraktien von durchschnittlich 22,4 erbracht wurde, die im Zeitablauf sogar anstieg.

Ihre Untersuchung des Betarisikos ergab nur geringe Unterschiede zwischen Formations- und Testperioden. Weil aber bei der langfristigen Strategie „der Marktwert der Sieger-Portfolios in der zweiten Subperiode immer größer war und diese Portfolios im Zeitraum deutlich schlechter abgeschnitten haben als die Verlierer, kann anhand dieser Daten ein Small Firm-Effect nicht ausgeschlossen werden“.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von Daske, der alle an der Frankfurter Weertpapierbörse amtlich gehandelten Aktien im Zeitraum 1953-1995 betrachtet hat.

Dabei fand der Autor neben einem Kontinuitätseffekt bei einer einjährigen Formationsperiode signifikante kumulierte Renditen eines Arbitrageportfolios aus dem Kauf von Verliereraktien und dem Leerverkauf von Gewinneraktien bei vier- und fünfjähriger Formationsperiode. Diese betragen bei 5%-igen Verlierer- und Gewinnerportfolios zirka 30% nach fünfjähriger Testperiode, vermindern sich aber bei weniger extremen Portfolios.
In den folgenden Tabellen sind die unterschiedlichen Entwicklungen von Verlierer- und Gewinnerdepots dargestellt. Dabei wird der Umkehreffekt sehr deutlich, denn die Verlierer werden langsam zu Gewinnen und erreichen nach einer Testperiode von vier Jahren eine Rendite von über 20 %. 

Umgekehrt werden bei den Gewinnern nach langen Formations- und Testperioden Verlierer mit negativen Renditen.


Rendite der Verliereraktien nach ..Jahren Formationsperiode und .. Jahren Testperiode in %

Formationsperiode
Testperiode
1 Jahr
Testperiode
2 Jahre
Testperiode
3 Jahre
Testperiode
4 Jahre
Testperiode
5 Jahre
1 Jahr
-0,8
-1,1
2,0
1,8
6,8
2 Jahre
2,1
3,1
2,7
2,7
5,5
3 Jahre
2,4
1,2
-1,7
2,9
12,6
4 Jahre
0,9
0,3
5,5
14,5
23,1
5 Jahre
2,1
7,9
15,9
22,2
24,0
Quelle: Daske, A-2 


Rendite der Gewinneraktien nach ..Jahren Formationsperiode und .. Jahren Testperiode in %

Formationsperiode
Testperiode 1 Jahr
Testperiode 2 Jahre
Testperiode 3 Jahre
Testperiode 4 Jahre
Testperiode 5 Jahre
1 Jahr
5,4
9,6
15,1
20,9
25,5
2 Jahre
0,0
4,8
10,4
17,6
27,3
3 Jahre
0,6
5,0
11,8
18,5
9,2
4 Jahre
1,6
2,4
3,9
-0,8
-4,0
5 Jahre
0,4
3,2
-3,7
-5,8
-6,8

Quelle: Daske, A-2 
Wie bei anderen Anomalien gibt es auch in diesem Fall deutlichre Schwankungen im Zeitablauf, wobei Änderungen der Test- und Formationsperiode für den Aktienforscher „zumindest aus der Anlegerperspektive unzweckmäßig“ erscheinen. 


Aktienpreis-Effekt (Pennystock-Effekt) (nominal price effect)


Da wir Preise nicht nur als Aktienkurse von der Börse her kennen, verbinden wir allein mit ihrer jeweiligen Höhe unmittelbar besonderer Eigenschaften. Das gilt besonders dann, wenn sie anscheinend für dasselbe Produkte zu zahlen sind: eine Aktie oder eben das Vielfache davon.

Aus der Sicht des Management haben Aktienkurse daher durchaus eine Botschaft für die Kapitalmarkt, was dazu führt, dass vor allem durch die Ausgabe neuer Aktien aus Gesellschaftsmitteln bzw. Aktien-Splits der Kurs „reguliert“ wird. So kann man feststellen, dass der Kurs in den USA bei durchschnittlich 30$ gelegen hat (Hwang/ Lu, S.2) . Dabei gibt allerdings eine breite Streuung, da z.B. die Investmentholding Berkshire Hathaway mit einem Kurs von 134.000 $ (Ende 2012) ihren phänomenalen Wertzuwachs dokumentieren soll, während es auf der anderen Seite die sogenannten Pennystocks gibt, zu denen in den USA alle Aktien mit einem Kurs von unter 5 $ gezählt werden, die häufig mehr als Los und weniger als Wertpapier gesehen werden.
Die Kurshöhe vermittelt jedoch nicht nur ein Image von „billigen“, „teuren“ und „normalen“ Aktien, sondern hat unabhängig davon auch Auswirkungen auf die künftige Renditeentwicklungen. Das haben zumindest Hwang/ Lu für amerikanische Aktien im Zeitraum 1963-2006 nachgewiesen. 

Dabei führt die Illusion nominal niedriger Preise nicht einmal in eine Anlegerfalle, denn die Aktien mit niedrigen Kursen, entwickeln sich ganz unabhängig von ihrer Bewertung nach fundamentalen Kriterien überdurchschnittlich gut. So erzielten die Pennystocks eine monatliche Durchschnittsrendite von 1,62%, während es bei den Aktien mit Kursen über 20 € nur 1,09% waren.

Erstaunlich und für einen möglichen Anlageerfolg besonders wichtig ist dabei die deutliche Saisonalität; denn die Überrendite resultiert ausschließlich aus dem Januareffekt, denn in den übrigen Monaten des Jahres rentieren die Aktien der anderen Preisklassen deutlich besser.

Für die Autoren könnte daher weniger die Größe der Marktkapitalisierung, sondern vor allem dieser Preis-Effekt für die Januaranomalie verantwortlich sein.


Durchschnittliche monatliche Renditen 1963 – 2006 in %


Preisklasse
Jahr insgesamt
Januar
Übrige Monate
Unter 5 $
1,62
13,38
0,56
5 $ bis unter 10 $
1,22
7,96
0,61
10 € bis unter 15 $
1,94
5,55
0,80
15 $ bis unter 20 $
1,67
4,22
0,89
20 $ und mehr
1,09
2,43
0,97

Quelle: Hwang/ Lu ,Tab. 2 


Dieser reine Preis-Effekt wird nach den Daten der beiden Wissenschaftler durch die Marktkapitalisierung, das Momentum, die Liquidität, und KGV, wobei sich deutliche Januareffekte zeigen. So weisen die Pennystocks in Kombinationen mit diesen Merkmalen deutlich abweichende positive Ausreißer auf. 

Sehr positiv sind Kombinationen von niedrigem Kurs und niedriger Marktkapitalisierung mit einer Monatsrendite von 1,98 % und einem Kursanstieg im Januar von 13,91 %.

Noch besser haben im Untersuchungszeitraum insgesamt Aktien mit niedriger Liquidität abgeschnitten, da hier die Monatsrendite bei 2,01, im Januar hatten jedoch Aktien der höchsten Liquiditätsklasse mit 18,48 % die höchste Performanz.

Insgesamt schnitten unter den Pennystocks die Gewinneraktien mit 1,79 % Monatsrendite ab, nur im Januar lagen die Verliereraktein mit 15,13 % vorn.

Eine besonders hohe Monatsrendite fanden die Autoren für die Teilklasse der Aktien mit einem relativ hohen Buchwert, wobei auch hier im Januar für Aktien der höchsten Buch-/Marktwert-Klasse , wenn auch mit einem nur geringen Vorsprung mit 12,93 % vorn lagen.

In dieses Schema passen auch die Ergebnisse für das KGV. Niedrige Werte bei den Pennystocks führten zu den relativ höchsten Renditen von 2,07 %, während im Januar die teuerste KGV-Klasse mit 16,02 % vorn lag.

In allen untersuchten Aktienkombinationen sind aus Anlegersicht die Renditen der Pennystocks besonders interessant, da sie durchgängig deutlich über denen der Aktien mit höheren Kursen liegen.


Ex-Dividende-Effekt ( Ex-dividend day effect)

Ein besonderes Ereignis ist für den Besitzer einer Aktien ist die Ausschüttung der Dividende, die in der Regel in Deutschland am Börsentag nach der Hauptversammlung erfolgt, auf der über ihre Höhe formell beschlossen werden muss. In anderen Ländern wie den USA oder auch den Niederladen sind zusätzliche Abschlagzahlungen auf die Dividende üblich, sodass der Aktionär eine entsprechende Gutschrift nicht nur einmal, sondern zwei- oder viermal als Gutschrift auf seinem Konto findet, was allerdings nichts über die absolute Höhe aussagt. 

Mit der Zahlung ist zumeist noch eine positive Überraschung verbunden; denn der Kurs einer Aktie sinkt im Durchschnitt geringer als es nach der Höhe der Ausschüttung rechnerisch zu erwarten wäre. Am Auszahlungstag, der bei Kursangabe mit ex Div. gekennzeichnet wird, tritt also eine Überrendite auf, den Anleger kostet an diesem Tag also ein Euro Dividendenausschüttung weniger als 100 Cent Kursminderung. 

Diese Ex-dividend day-Anomalie wurde schon 1955 von Campbell und Beranek gesehen. Üblicherweise wurde auch in den zahlreichen Anschlussuntersuchungen festgestellt, dass der Aktienkurs geringer fällt als es der Wert der Dividendenzahlung nahe legen würde.

In der ältesten Arbeit zur Börsenbewertung der Dividende stellen Elton/ Gruber (1970) fest, dass ein Dollar Dividende wie 90 Cents Kursgewinn bewertet wird, denn Aktien verlieren am Tag der Dividendenauszahlung nicht den vollen Wert der Dividende, sondern im Durchschnitt nur 90 Prozent des Gesamtbetrages. (Avraamides/ Molinero)

Sie erklärten diese Anomalie mit einer höheren die Besteuerung der Dividendenausschüttung, sodass ihre Größe von den jeweils relevanten Steuersätzen abhängt. Das Geschenk des Marktes gibt es also nur für Aktionäre, die ihre Dividendeneinkommen nicht oder nur zu einem geringen Satz dem Zugriff des Fiskus unterwerfen müssen. Die Differenz wird sogar als Schätzwert für die marginale Besteuerung von Dividenden gesehen.

Allerdings kann die Steuer den Effekt nicht insgesamt erklären, da er auch von der relativen Höhe der Dividende und sogar dem Monat der Ausschüttung abhängt, wie die folgende Übersicht der Ergebnisse von Bali zeigt, der die Kurse und Dividenden von Aktien der NYSE zwischen 1962 und 1997 ausgewertet hat.


Ex-dividend-day-Effekt nach Dividendenhöhe und Auszahlungsmonat (1962-1997)


Aktienrendite
Ausschüttung
Dividende
Renditeabschlag in %
Kursabschlag in %
Hoch
Januar
42,0 c
3,12
1,11

Anderer Monat
42,5 c
3,35
1,33
Niedrig
Januar
32,5 c
1,02
0,53

Anderer Monat
32,2 c
1,01
0,70
Quelle: Bali, S. 930 


In anderen Ländern wurden abweichend hierfür besonders hohe Dividendenabschläge bei Aktien mit hohen Dividendenrenditen gefunden. Falls für diese Anomalie nicht das Verhalten irrationaler Dividendenjäger verantwortlich ist, kann dafür auch das Durchbrechen von Widerstandslinien eine Rolle spielen, an denen sich Anhänger der Chartanalyse orientieren.

Für diese Aktien empfiehlt sich daher ein Kauf nach der Dividendenzahlung.



Der Vernachlässigte-Firmen-Effekt (Neglected Firm effect)



In der Fanatsie vieler Menschen spielen sie eine große Rolle: die unentdeckten Schätze, wobei an der Börse zumindest der Suchbereich klar abgegrenzt werden kann, da jede Börse eine Übersicht über die bei ihr gelisteten Aktien veröffentlicht.

Die Entdeckung gilt daher vor allem im Hinblick auf die weitere Kursentwicklung. Dabei lassen sich wie bei der Unterscheidung von Value- und Growth-Werten Aktien unterscheiden, die mehr oder weniger in der Öffentlichkeit diskutiert werden, was man an der Zahl der Postings in Aktienforen und auch den Börsenumsätzen ablesen kann.

In einer bereits 1982 veröffentlichten Studie haben Arbel/Strebel die Anzahl der Analysten, die eine Aktie beobachten, als Indikator für den Bekanntheitsgrad gewählt. Heute spricht man dabei von der Coverage durch Finanzanalysten, damals haben die Autoren eine Research concentration ratio (RCR) definiert.

Nach den Ergebnissen, die sich allerdings nur auf einen kurzen Zeitraum beziehen, war es für Privatanleger nicht unbedingt vorteilhaft, wenn sie die Aktien gekauft haben, die von besonders vielen Finanzanalysten beobachtete wurden. Hier kann man leicht den Eindruck bekommen, dass die in der Regel positiven Empfehlungen von den fundamentalen Daten der Unternehmen nicht gerechtfertigt wurden.

Das gilt besonders dann, wenn man auf die Gesellschaften mit einer geringen Marktkapitalisierung schaut, die entsprechend dem Größe-Effekt insgesamt besonders Rendite erbringen sollen. Das gilt auch nach dieser Untersuchung, aber nur, wenn man dabei auf die Zahl der Analysten achtet.


Durchschnittliche monatliche Kursentwicklung in den Jahren 1972-6 in %

Coverage
Fallende Märkte
Steigende Märkte
Hoch
-0,35
0,43
Mittel
-0,36
0,47
Niedrig
-0,30
0,52
Quelle: Arbel/Strebel, S. 211 


Bei kleinen Unternehmen, mit deren Empfehlung viele Tippdienste ihr Geld verdienen, muss der Anleger hingegen besonders vorsichtig sein, da hier die Perlen, die Gurus entdeckt haben wollen, in der Realität nicht entdeckt wurden, wie die besonders hohe Durchschnittsrendite von 13,2 % anzeigt.


Durchschnittliche Jahresrendite für verschiede Größenklassen von vernachlässigten Unternehmen in den Jahren 1972-6 in %



Coverage
Kleinstes Größe-Dezil
Größtes Größe-Dezil
Insgesamt
Hoch
1,6
6,5
5,1
Mittel
0,9
4,1
8,1
Niedrig
13,2
4,6
15,0

Quelle: Arbel/Strebel, S. 213


Gerade bei diesem Kriterium lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zu einem Risikobegriff erkennen, der sich nicht an Kursschwankungen, sondern an einem Mangel an Informationen orientiert, an einem Risiko also, das mit allem Unbekannten verbunden ist.

Wem es gelingt, dieses Problem durch eigene Recherchen oder eine gute Risikostreuung auszugleichen, kann also vom Markt fürstlich belohnt werden, wenn sich alte Zusammenhänge fortschreiben lassen. Aber das ist bekanntlich das große Problem aller Anomalien. Nur dürfte die Kapazität der Analysten begrenzt sein, sodass die Entdeckung von Schätzen zum Vergessen anderer Unternehmen führt, die sich auch im Verborgenen positiv entwickeln können.
(weiter)


Quellen

Arbel, Avner und Strebel,Paul, The neglected and small firm effects, Financial Review, 1982, S. 201-218. 
Avraamides, Andreas und Molinero, Cecilia Mar, Ex-Dividend Day Price Behaviour: A review of the Issues, in : Spoudai. Journal of Economics and Business, 2000, S.3-39. 
Bali, Rakesh, Seasonality in ex dividend day returns, in: Applied Economics Letters, 2003, S. 929–932 
Basu, Sanjay, Investment Performance of Common Stocks in Relation to Their PriceEarnings Ratios: A Test of the Efficient Market Hypothesis, in: Journal of Finance, 1977, S. 129-56. 
Bhardwaj, Ravinder. K. und Brooks, Leroy. D., The January Anomaly: Effects of Low Share Price, Transaction Costs, and Bid-Ask Bias, in: Journal of Finance, 1992,S. 553-576. 
Blandón, Josep García, Blasco, Mònica Martínez und Sabaté, Lucinio González, The Ex-Dividend Day Anomaly in the Spanish Stock Market, WP von Oktober 2009. 
Carhart, Mark M., On Persistence in Mutual Fund Performance, in : Journal of Finance, 1997, S. 57-82. 
Daske, Stefan, Winner-Loser-Effekte am deutschen Aktienmarkt, WP von 2002. 
De Bondt, Werner F. M. und Thaler, Richard, Does the Stock Market Overreact?, in: Journal of Finance, 1985, S. 793-805. 
Dies., Further Evidence on Investor Overreaction and Stock Market Seasonality, in: Journal of Finance, 1987, S. 557-581. 
Hwang, Soosung und Lu, Chensheng, Is Share Price Relevant?, WP vom September 2008. 
Jegadeesh, Narasimhan, Evidence of Predictable Behavior of Security Returns, Journal of Finance, 1990, S. 881-898. 
Ders. und Titman, Sheridan, Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency, in: Journal of Finance, 1993, S. 65-91. 
Keim, Donald B., Size-related anomalies and stock market seasonality: Further empirical evidence, in: Journal of Financial Economics, 1983, S. 13-32. 
Lakonishok, Josef, Schleifer, Andrei und Vishny, Robert W., Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, in: Journal of Finance, 1994, S. 1541-1578. 

Lemmon, Michael L. und Nguyen, Thanh, Dividend Yields and Stock Returns: Evidence From a Country without Taxes, WP vom März 2008. 
Reinganum, Marc R., 1981, Misspecification of capital asset pricing: Empirical anomalies based on earnings' yields and market values, in: Journal of Financial Economics, 1981, S. 19-46. 
Schiereck, Dirk und Weber, Martin, Zyklische und antizyklische Handelsstrategien am deutschen Aktienmarkt, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1995, S. 3-24.

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